Muss der Papst sich entschuldigen?
In den letzten Tagen, seit der Ansprache des Papstes Benedikt XVI. an der Universität Regensburg am 12. September 2006, haben Muslime sehr stark auf ein Zitat reagiert, das in dieser Ansprache enthalten war. Die Forderungen, die in diesen Reaktionen geäußert wurden, reichten von der Forderung nach einer Entschuldigung für die Äußerungen, über seine Entlassung bis hin zum Aufruf zum Papstmord eines somalischen Geistlichen. Doch worum geht es in diesem Konflikt eigentlich? Was hat der Papst denn gesagt und warum wird diese Äußerung von Muslimen als Beleidigung aufgefasst?
Zunächst einmal will ich voranstellen, dass es mir nicht darum geht, die Worte des Papstes zu bekräftigen oder für falsch zu erklären. Ich werde zu diesem Punkt keine persönliche Meinung äußern, sondern mich auf die Aussage konzentrieren, die so große Wellen geschlagen hat, dass sie noch immer nicht ganz abgeebbt sind. Dennoch sei Ihnen, werter Leser geraten, die Ansprache zunächst einmal selbst komplett durchzulesen, bevor Sie diesen Artikel weiterlesen.
Um die Rede zu lesen, folgen Sie bitte diesem Link.
Da Sie, werter Leser, den Kontext des Zitats, das den ganzen Aufruhr ausgelöst hat, nun kennen, möchte ich mich zuerst einmal damit beschäftigen. Wie Sie selbst wohl festgestellt haben, spielt das Zitat keinerlei zentrale Rolle in der Rede, sondern diente nur der Einleitung des eigentlichen Themas. Wie schon der Absatz, der dem besagten Zitat - "Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten" - vorausgeht, macht deutlich, dass das Thema der Ansprache nicht im entferntesten Sinn der Islam ist, sondern die Frage des Verhältnisses zwischen Glaube und Vernunft. Im weiteren Verlauf der Ansprache wird das genannte Zitat vervollständigt. Im weiteren Verlauf folgen keinerlei Zitate mehr, aber einige Referenzen zum Neuen Testament, Philosophen wie Kant oder Pascal und auch zu den Reformatoren. Teilweise erfolgen diese Referenzen ähnlich unkommentiert wie das besagte Zitat, teilweise distanziert der Papst sich von den theologischen Idealen die er erwähnt. Im Unterschied zum vorhergehenden Zitat, erfolgen diese Referenzen jedoch eingebunden in die eigentliche Kernfrage seiner Ansprache und sind daher von andere Bedeutung. Es bleibt also festzuhalten, dass die Wortwahl oder der Aufbau der Rede keinen Aufschluss darüber gibt, wie der Papst zum besagten Zitat steht. Letzlich führt er nur Referenzen an, die ein Gottesbild zeichnen, das er für falsch hält. Ob er nun davon überzeugt ist, dass Mohammed dieses Gottesbild geprägt hat oder nicht, wird nicht klar. Es bleibt also festzuhalten, dass das fragliche Zitat in einer absolut neutralen Form verwendet wurde. Sollte der zitierte Kaiser Manuel II. Palaeologus mit seinen Worten unrecht gehabt haben, so spielt das für die weitere Argumentation keine Rolle, da das unterstellte Gottesverständnis nur eine Illustration ist. Vielleicht fragen Sie, werter Leser, sich nach dieser etwas langatmigen Einleitung nun, welche Rolle all das spielt, wenn es auf muslimischer Seite doch um den Vorwurf einer Beleidigung geht. Der Grund, warum ich das alles so weit ausführe, ist, dass mir der Kontext sehr wichtig ist. Er entscheidet letztlich darüber mit, ob ein herausgegriffenes Zitat richtig interpretiert wurde oder nicht. Im angeführten Kontext wird klar, dass aufgrund der differenzierten Haltung der ganzen Rede, von einer Beleidigung keine Rede sein kann, da der Kontext dies klar als Missverständnis erkennen lässt. Diesen Punkt hat auch der Papst betont, indem er in seiner Stellungnahme bedauerte, dass er missverstanden wurde. Nun gibt es in der islamischen Welt aber auch Stimmen, die erklären, dass es sich nicht um ein Missverständnis handle und daher ein Widerruf nötig sei. Obwohl wir diese Möglichkeit als Folge der Analyse des Kontextes schon ausgeschlossen haben, wollen wir uns einmal auf den hypothetischen Standpunkt stellen, dass der Papst das Zitat deswegen gewählt hat, weil er seiner Aussage zustimmt. Diese würde bedeuten, dass auch er der Meinung ist, dass Mohammed der Welt nichts Gutes gebracht habe. Wäre dies eine Beleidigung Mohammeds? Aus meiner Sicht ist das ausgeschlossen. Kein Christ könnte es als Beleidigung Jesu verstehen, wenn seine Lehre von irgendwem als schlecht abgelehnt würde. Dies stellt eine Meinung dar, die ein jeder Mensch sich nach seinem Gutdünken bilden kann. Eine Meinung wird jedoch durch Information oder oft auch durch einen Mangel an Information oder gezielte Desinformation gebildet. Entspricht eine Meinung somit der Faktenlage, bedeutet dies, dass sie sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ändern wird, da die Fakten sie nicht herausfordern. Entspricht sie der Faktenlage nicht, so wird sie sich im Laufe der Zeit auf der Basis von Fakten verändern. Dies ist natürlich eine idealisierte Darstellung, da wohl nicht weniger Irrtümer zur Entwicklung unserer Meinung beitragen als Fakten. Dennoch unterscheidet sich der Fakt vom Irrtum in der Hinsicht, dass er sich nicht ändern wird, auch wenn unsere allgemeine Informationslage sich verbessert. Der Irrtum kann durch Informationszuwachs ausgeräumt werden.
Ein Beispiel für eine solche Einstellung ist das Buch "Der Davinci Code" von Dan Brown, das vor allem in seiner Kinofassung viel Wirbel verursacht hat, weil es Gedanken zu Fakten erklärt, die Christen als häretisch empfinden. Ohne den Kirchen eine perfekte Reaktion zusprechen zu wollen, war es leicht zu beobachten, wie viele Kirchen auf dieses Gedankengut durch Information reagierten. Sie konfrontierten jeden, der bereit war, die Gedanken von Dan Brown in Frage zu stellen, mit den Fakten und den Theorien, die daraus abgeleitet wurden und breiten Konsens fanden. Auch die Kirchen hätten es hier dabei belassen können, dazu aufzurufen Buch und Film aus dem Handel bzw. den Kinos zu verbannen, weil sie als beleidigend empfunden werden. Der Grund, dass dies nicht passiert ist, liegt darin, dass unser Wertesystem dem Einzelnen die Fähigkeit der Meinungsbildung zutraut. Aus unserer Geschichte kennen auch wir Zeiten als das nicht so war und halten es für einen großen Fortschritt, dass wir diese Periode vor langer Zeit hinter uns gelassen haben. Genau an diesem Punkt müssen wir jedoch ansetzen, wenn wir die muslimische Reaktion verstehen und deuten wollen. Wenn wir in unsere eigenen Geschichte blicken, so erkennen wir, dass unser Gesellschaftssystem des Mittelalters, das die gleichen Schwächen zeigte und in dem der Einzelne nur den Gedanken des Höhergestellen folgte, sehr stark politisch verwickelt war. Die Kirche, die die autoritative Meinung vorgab, teilte die weltliche Macht mit den weltlichen Herrschern, indem sie sie einsetzte oder auch ihren Segen gab oder vorenthielt. Diese Situation wurde in der christlichen Kirche überwunden, dauert aber im Islam noch an. Nun könnte man natürlich auf eine ähnliche Entwicklung im Islam hoffen und tatsächlich gibt es vereinzelte muslimische Stimmen, die nach einer solchen Reform des Islam rufen. An dieser Stelle kommt jedoch ein entscheidender Unterschied zwischen Christentum und Islam ins Spiel. Während weltliche Macht sich in der christlichen Tradition entwickelte und die biblische Autorität dafür nicht zwingend ist (wenn überhaupt vorhanden), kennt der Islam schon zu Lebzeiten Mohammeds eine Vermischung von geistlicher und weltlicher Macht. Während Jesus von den Machthabern des Landes, in dem er lebte (nach dem Wunsch seines eigenen Volkes) an ein Kreuz genagelt wurde, gründete Mohammed einen eigenen Staat, dessen Gesetze durch und durch am Islam ausgerichtet wurden. Dies bedeutet auch, dass weltliche Macht klar ins Zentrum des Islams rückte, da sie eine Erweiterung des Machtbereichs Allahs bedeutete. Wahrer, unverfälschter Islam, bekam eine Definition, die nur noch unter einer muslimischen Regierung perfekt erfüllbar war. Dies bedeutet, dass es einem Moslem nicht möglich ist, den Vorwurf, dass der Islam mit dem Schwert verbreitet werden kann, mit Fakten zu entkräften.
Ohne allen Muslimen unterstellen zu wollen, dass sie mit Gewalt nichtmuslimische Länder in muslimische Länder zu verwandeln, bleibt klar festzuhalten, dass derjenige, der dieses Streben zeigt, im Islam gerechtfertigt ist, da er für die Sache Allahs kämpft. Ich verzichte an dieser Stelle auf Zitate, da unsere Website, speziell die englischen Seiten, diese These mit vielen Zitaten und Fakten untermauert und es hier zu weit führen würde, dies alles nochmals anzuführen.
Weiter muss Ihnen, werter Leser, klar sein, dass Mohammed, der Prophet des Islam, nach muslimischem Verständnis mit dem Koran nur das Wort Gottes gesprochen hat, dessen Inhalt oder Wortlaut er in keiner Weise beeinflusst haben soll. Der Koran erklärt nun aber auch Mohammed zum perfekten Vorbild für alle Muslime, weshalb es eine Gotteslästerung darstellt, ihm Schlechtes zu unterstellen. Dies ist der Grund, warum Muslime mit solcher Schärfe auf eine Beleidigung ihres Propheten reagieren.
Welchen Schluss wollen wir nun aber aus all diesen Darlegungen ziehen. Wenn der Papst nach dem muslimischen Verständnis Mohammed beleidigt hat, muss er sich dann dafür entschuldigen oder gar seine Aussagen widerrufen? Die Antwort darauf ist ein klares Nein. Die Anerkennung des Tatbestandes der Beleidigung, ist eine indirekte Anerkennung der Göttlichkeit Allahs, des Gottes des Islam. Dieser Gott kann aber z.B. auch auf der Basis der von Benedikt XVI. dargelegten Gründe, dass seine Autorität völlige Widersinnigkeit nicht ausschließt, unmöglich als der Gott der Bibel verstanden werden. Der Gott der Bibel hat sich immer als ein Gott offenbart, der es nicht scheut, sich hinterfragen zu lassen (vgl. z.B. 1. Mose 18,16ff). Wenn Allah, der Gott Mohammeds, aber nicht der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs und der Vater Jesu Christi ist, so gibt es für Benedikt XVI., wie für jeden anderen Christen auch, keine Möglichkeit, den Tatbestand der Beleidigung anzuerkennen. Es ist daher umso bedauerlicher, dass eine herausfordernde Aussage über den Propheten des Islam unter dem schieren Druck der islamischen Welt durch ein Zitat aus dem Konzildokument "Nostra aetate" ersetzt wurde, das sich wie folgt liest:
"Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat."
Dieses Zitat suggeriert, dass der Gott des Islam Gemeinsamkeiten mit dem Gott der Bibel habe. Dies entspricht - wie unsere Website auf vielerlei Weise aufzeigt - nicht den Tatsachen. Nach meiner Überzeugung, kam das ursprüngliche Zitat des Kaisers Manuel II. Palaeologos der Wahrheit um einiges näher als diese Erklärung. Benedikt XVI. hätte also gut daran getan, die Herausforderung aufrechtzuerhalten oder gar zu bekräftigen. Zwar ist damit zu rechnen, dass das viele Gewaltausbrüche zur Folge gehabt hätte, aber die Wahrheit darf sich der Gewalt nicht beugen. Wie auch schon mehrfach öffentlich geäußert wurde, bestätigen jegliche Ausbrüche von Gewalt gegen Katholiken oder Christen anderer Denomination die Worte des Papstes auf einzigartige Weise. Wenn wir die Wahrheit jetzt nicht aufrechterhalten, was hält dann die Lüge davon ab, immer weiter Boden gut zu machen?