Der Islam im Licht des Evangeliums II
Die biblische Prophetie und der Anspruch Muhammads
War Muhammad ein von Gott gesandter Prophet oder nicht? Diese Frage hat für das Verhältnis von Christen und Muslimen die größte Wichtigkeit. Ein häufig geäußerter Vorwurf von Muslimen an Christen lautet, dass es ihre größte Sünde sei, Muhammad nicht als Gesandten Gottes anzuerkennen, während der Islam umgekehrt Jesus und Mose sehr schätze.
Unterschiedliche Vorstellungen vom prophetischen Amt
Muhammad hatte Vorstellungen vom Auftrag eines Propheten, die sich nicht mit dem biblischen Zeugnis decken. Muhammad meinte, dass alle Propheten die gleiche Aufgabe hätten, nämlich die Menschen in jeweils wechselnden geschichtlichen Situationen und an verschiedenen Orten zum Islam aufzurufen, also zur Unterwerfung unter Gottes Willen. Dagegen hatten die Propheten Israels in bestimmten geschichtlichen Situationen ganz konkrete Weisungen und Tröstungen Gottes zu sagen. Davon scheint Muhammad aber nichts gewusst zu haben, denn die großen Schriftpropheten Jesaja, Jeremia und Hesekiel waren ihm offenbar nicht bekannt.
Die Propheten und das Volk Gottes
Im Unterschied zu Muhammads Auffassung ist zu beachten, dass die Propheten Israels im breiten Strom der göttlichen Heilsgeschichte standen. Sie gehörten zum Volk Gottes, bevor Gott sie zu Propheten berief. Als Angehörige des Bundesvolkes wussten sie um eine lange Vorgeschichte göttlichen Redens und Handelns, ehe sie Gottes Wort persönlich empfingen. Was sie dann an Gerichtsdrohung und Heilsankündigung im Auftrag Gottes sagten, war nicht ohne den Zusammenhang der bisherigen Heilsgeschichte denkbar. Eine Auslegung der Berichte über die Berufung der großen Propheten (Jesaja 6; Jeremia 1 und Hesekiel 1 - 3) würde das deutlich machen.
Diese Einbettung in die vorausgegangene Heilsgeschichte fehlte bei Muhammad. Er hörte wohl vage Erzählungen von der Geschichte Gottes mit Völkern und Menschen - aber es war nicht seine Geschichte. Seine von ihm so verstandene Berufung zum Sprecher Gottes erfolgte nicht im Rahmen der bisherigen Heilsgeschichte. Das Bemühen, Muhammad nachträglich in eine Reihe von Propheten und Gesandten Gottes hineinzustellen und ihn sogar zum krönenden Abschluss dieser Reihe zu machen, wirkt ebenso konstruiert wie der Versuch, im Neuen Testament eine Weissagung auf Muhammad zu finden.
Sure 7,157 spricht von gläubigen Schriftbesitzern, "die dem Gesandten, dem heidnischen Propheten, folgen, den sie bei sich in der Thora und im Evangelium verzeichnet finden..." Im Gespräch mit Muslimen begegnet oft die Behauptung, Johannes-Evangelium 14,16f. sei eine solche Weissagung auf Muhammad. Dort wird das Wort Jesu berichtet: "Ich will den Vater bitten, und er wird euch einen andern Tröster geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit: den Geist der Wahrheit...". Das griechische Wort paraklätos (Tröster) habe ursprünglich parüklätos (deutsch: gepriesen, arabisch: muhammad) geheißen. Die Christen der ersten Jahrhunderte hätten die Vokalfolge abgeändert, um die Ankündigung des Kommens eines abschließenden Gesandten nach Jesus zu verschleiern. Hinter dieser merkwürdigen Behauptung steht zum einen der koranische Vorwurf, dass die Juden und Christen ihre Schriften Thora und Evangelium gefälscht hätten, zum anderen das islamische Unverständnis im Blick auf den Heiligen Geist. Eine Auslegung des ganzen Kapitels Johannes 14 würde deutlich machen, dass das Wort muhammad im Textzusammenhang völlig unverständlich wäre.
Geschichtlicher Bericht oder Anspielung an Geschichte ?
Da Muhammad außerhalb der biblischen Heilsgeschichte stand, bzw. sich gewissermaßen nachträglich in sie hineindrängen wollte, trägt die Sammlung der von ihm verkündigten Aussprüche (der Koran) weitgehend den Charakter allgemeiner Lehren, Warnungen und Ermahnungen. Geschichte spiegelt sich in ihnen nur insofern wider, als man am Koran das Geschick Muhammads und seiner Kämpfe zwischen den Zeilen herauslesen kann.
Im Koran befinden sich zahlreiche Bezüge auf biblische Erzählungen. Während diese Berichte in der Bibel zumeist geschichtliche Darstellungen sind, finden wir im Koran nur Hinweise auf diese biblischen Erzählungen, die in eine Anrede Gottes an Muhammad eingekleidet sind. Als ein Beispiel folgen Auszüge aus der 5. Sure, in denen auf die Geschichte von den Kundschaftern (4. Mose 13 f.) Bezug genommen wird. "Und (damals) als Mose zu seinen Leuten sagte: "Leute! Gedenket der Gnade, die Gott euch erwiesen hat! (Damals) als er Propheten unter euch auftreten ließ (w. machte) und euch zu Königen machte und euch gab, was er (sonst) keinem von den Menschen in aller Welt gegeben hat. Leute! Tretet ein in das heilige Land, das Gott euch bestimmt hat, und kehrt nicht (gleich wieder) um, so dass ihr (letzten Endes) den Schaden habt!. Sie sagten: 'Mose! In ihm sind gewalttätige Leute. Wir werden es nicht betreten, solange sie nicht aus ihm herausgehen. Wenn sie jedoch aus ihm herausgehen, wollen wir (es) betreten.' Zwei Männer, fromme Leute, die Gott (besonders) begnadet hatte, sagten: 'Tretet durch das Tor ein (auch wenn ihr) gegen sie (Gewalt anwenden müsst?). Wenn ihr (nur einmal) dadurch eintretet, werdet ihr Sieger sein..." (VV. 20-23).
Hinter diesem Stil steht die Auffassung, dass der Koran die durch einen Engel vorgetragene Anrede Gottes an den Propheten sei. In der Bibel dagegen ist die direkte Rede Gottes an Menschen in Berichte über die Geschichte Gottes mit diesen Menschen eingebettet.
Als Beispiel für die zahlreichen Anspielungen an die Geschicke Muhammads zitiere ich aus der 3. Sure: "Und (damals) als du in der Frühe von deiner Familie weggingst, um die Gläubigen in die Stellungen zum Kampf (gegen die ungläubigen Mekkaner) einzuweisen! Gott hört und weiß (alles). (Damals) als zwei Gruppen von euch am liebsten aufgegeben hätten, wo doch Gott ihr Freund war (oder: ist). Auf Gott sollen die Gläubigen (immer) vertrauen. Gott hat euch doch (seinerzeit) in Badr zum Sieg verholfen, während ihr (eurerseits) ein bescheidener, unscheinbarer Haufe waret. Darum fürchtet Gott! Vielleicht werdet ihr dankbar sein." (Sure 3, 121 - 123). Diese Verse beziehen sich auf das wechselnde Kriegsglück in Muhammads Kämpfen gegen die Mekkaner bei Badr und am Berge Ohod.
Prophetische Verheißungen und ihre Erfüllung
Im Gegensatz zu Muhammad kündigten die Propheten Israels im Namen Gottes konkrete Gerichts- und Heilstaten Gottes an. Ihr Verheißungswort setzte sich damit dem Risiko der Nichterfüllung aus. Erst in der Erfüllung war der Prophet als Sprecher Gottes gerechtfertig: "Wenn aber ein Prophet von Heil weissagt - ob ihn der HERR wahrhaftig gesandt hat, wird man daran erkennen, dass sein Wort erfüllt wird." (Jeremia 28,9).
Muhammad hat sich solchem Wagnis nicht ausgesetzt. Wir finden im Koran keine konkreten Verheißungen, bei denen Muhammad behaftet werden könnte. Was der Koran vom kommenden Gericht und Heil sagt, ist ganz allgemein gehalten. Als Beispiel dazu sei aus Sure 84 zitiert: "Wenn (dereinst) der Himmel zerbricht, auf seinen Herrn hört und es schicklich für ihn ist (sich gefügig zu zeigen)(?) (oder: und (wenn er zu einem solchen Akt des Gehorsams) verpflichtet wird?), wenn die Erde ausgebreitet (und eingeebnet) wird, auswirft, was sie (an Toten) in sich hat, sich (völlig) entleert (oder: sich (von allem) freimacht), auf ihren Herrn hört und es schicklich für sie ist (sich gefügig zu zeigen) (?) (oder: und (wenn er zu einem solchen Akt des Gehorsams) verpflichtet wird?) (ist die Stunde des Gerichts da)! Du Mensch! Du strebst mit all deinem Bemühen deinem Herrn zu, und so wirst du ihm (dereinst) begegnen..." (1 - 6).
Die Rechtfertigung von Handlungen durch Offenbarungen ?
So wenig konkret die Ankündigungen Muhammads waren, so offensichtlich ist es andererseits, dass seine Hör-Erlebnisse dazu herhalten mussten, bestimmte Handlungen zu rechtfertigen oder vorhandene Verlegenheiten zu beseitigen. Ein Beispiel dafür ist die Änderung der Gebetsrichtung. Während Muhammad zunächst von den Juden Jerusalem als Gebetsrichtung übernommen hatte, gab er sie vermutlich im Zuge der Auseinandersetzung mit den Juden Medinas auf.
Die Änderung der Gebetsrichtung hat in der 2. Sure ihren Niederschlag gefunden: "Die Toren unter den Leuten werden sagen: 'Was hat sie (d.h. die Muslime) von der Gebetsrichtung, die sie (bisher) eingehalten hatten, abgebracht?' Sag: Gott gehört der Osten und der Westen. Er führt, wen er will, auf einen geraden Weg. Und so haben wir euch (Muslime) zu einer in der Mitte stehenden Gemeinschaft gemacht, damit ihr Zeugen über die (anderen) Menschen seiet und der Gesandte über euch Zeuge sei. Und wir haben die Gebetsrichtung, die du (bisher) eingehalten hast, nur eingesetzt, um (die Leute auf die Probe zu stellen und) in Erfahrung zu bringen, wer dem Gesandten folgt, und wer eine Kehrtwendung vollzieht (und abtrünnig wird). Es ist zwar schwer (was man von den Leuten verlangt), aber nicht für diejenigen, die Gott rechtgeleitet hat. Gott kann unmöglich zulassen, dass ihr umsonst geglaubt habt. Er ist gegen die Menschen mitleidig und barmherzig. Wir sehen, dass du unschlüssig bist, wohin am Himmel du dich (beim Gebet) mit dem Gesicht wenden sollst. Darum wollen wir dich (jetzt) in eine Gebetsrichtung weisen, mit der du gern einverstanden sein wirst: Wende dich mit dem Gesicht in Richtung der heiligen Kultstätte (in Mekka)! Und wo immer ihr (Gläubigen) seid, da wendet euch mit dem Gesicht in diese Richtung!" (Sure 2, 142-144).
Jesus Christus ist die Erfüllung aller wahren Prophetie
Die bisher angeführten Argumente machen es unmöglich, Muhammad in einer Linie mit den Propheten Israels zu sehen. Das stärkste Argument aber ist die Verkündigung der Apostel Jesu Christi von der Erfüllung der alttestamentlichen Prophetie in dem Messias Jesus. Die ganze Prophetie Israels drängt auf das Kommen des endzeitlichen Heilbringers hin.
Die Bibel zeigt uns zu Beginn den Sündenfall des Menschen und das Überhandnehmen der Sünde (1. Mose 3 - 11) sowie als Antwort darauf das zielgerichtete Heilshandeln Gottes. Dieses begann mit der Erwählung Abrahams (1. Mose 12): "In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden." (V. 3). Darin bereitete Gott zunächst das Heil für das alte Bundesvolk Israel und schließlich für die Völkerwelt vor. Denn das Scheitern des alten Bundes - wegen des Ungehorsams Israels - war nicht das Ende der Heilswege Gottes. Vielmehr kündigte die alttestamentliche Prophetie nicht nur das Ende des alten, sondern auch den Abschluss des neuen Bundes in der Sendung des Christus an. Die Apostel bezeugten die Erfüllung dieser Weissagungen: "Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan..." (Galater-Brief 4, 4). "Auf alle Gottesverheißungen ist in ihm das Ja..." (2. Korinther-Brief 1, 20). "Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn..." (Hebräer-Brief 1, 1 f.). "Er ist zwar zuvor ausersehen, ehe der Welt Grund gelegt wurde, aber offenbart am Ende der Zeiten um euretwillen..." (1.Petrusbrief1,20).
Auch dieses (erste) Kommen Jesu Christi ist noch nicht das letzte Ziel des Heilsplanes Gottes. Es ist vielmehr in die Zukunft hin offen - nicht für das Kommen Muhammads, sondern für Jesu Wiederkommen in Macht und Herrlichkeit (Apostelgeschichte 1,11; 1. Thessalonicher-Brief 1,10). Abraham - Israel - Jesus Christus - die weltweite Kirche - das vollendete Reich Jesu Christi - das sind die Steigerungen der biblischen Heilsgeschichte. Hier ist alles in Bewegung auf ein großes Ziel hin.
Gibt es Prophetie nach Jesus Christus ?
Als Erfüllung der alttestamtentlichen Ankündigungen war das Kommen des Christus (Messias) zugleich das Ende dieser Prophetie. Dies wird am deutlichsten an Johannes dem Täufer. Er war noch Prophet, also Ankünder Jesu Christi; ja, er war mehr als ein Prophet, weil er bereits den Verheißenen sah und in der Erfüllungszeit lebte (vgl. Matthäus-Evangelium 11, 9 - 11). Dennoch war er noch nicht in die Heilszeit eingetreten. Jesus sagte von ihm: "Der aber der Kleinste ist im Himmelreich, ist größer als er." (V. 11).
Das Kommen Jesu Christi ist die Wende der Zeit. Mit ihm begann etwas völlig Neues. Das Amt der alten Propheten unterschied sich deshalb deutlich von dem der Propheten in den jungen christlichen Gemeinden. Jene lebten und verkündigten auf das Heil zu, diese lebten und verkündigten vom gekommenen Heil her. Die Gemeinde-Propheten waren mit dem Geist Gottes erfüllt, der das Kennzeichen der Heilszeit ist. Der Heilige Geist sprach durch sie und gab durch sie der Gemeinde Weisungen auf ihrem Weg der Christusnachfolge (Apostelgeschichte 13, 1; 1. Korintherbrief 12,28). Der Heilige Geist verherrlicht Jesus Christus (Johannes-Evangelium 16,14). Martin Luther sagte: "Christus spricht, der Heilige Geist solle kommen und ihn verklären, spricht nicht, er solle ihn ändern oder verdunkeln." (zitiert im Pfarrerkalender am 08.November, Göttingen 1981). Jeder nach Jesus Christus erscheinende Prophet muss danach beurteilt werden, ob er vom Geist Jesu Christi erfüllt ist und Menschen zu Jesus Christus führt.
Das aber können wir von Muhammad nicht sagen. Im biblischen Licht erscheint Muhammad als ein selbstberufener Prophet. Für seinen Anspruch ist in der biblisch verstandenen Heilsgeschichte kein Platz.
Nur ein Missverständnis ?
Vielleicht beruhte Muhammads prophetisches Selbstbewusstsein zunächst auf einem Missverständnis, da seine Kenntnis des Judentums und des Christentums sehr mangelhaft war und nur auf mündlichen - dazu entstellten - Informationen beruhte. In der Auseinandersetzung mit den Juden (und wohl auch einzelnen Christen) war Muhammad aber offensichtlich nicht bereit, seine Missverständnisse im Blick auf die biblischen Heilsgeschichte korrigieren zu lassen und auf seinen Anspruch zu verzichten. Vielmehr verteidigte er seinen Anspruch und bestritt gleichzeitig die Wahrhaftigkeit der biblischen Bücher. Vor allem bestritt er die Einmaligkeit Jesu Christi und machte sich selbst zum Siegel der Propheten. Damit hat sich Muhammad - wenigstens in der zweiten Phase seines öffentlichen Wirkens - zum typischen nachbiblischen und deshalb antibiblischen Verkündiger entwickelt.
Fortsetzung folgt!
Quelle: Vom Verfasser leicht überarbeiteter Ausschnitt aus: E. Troeger, Kreuz und Halbmond. Was Christen vom Islam wissen sollten, Wuppertal 1996, S. 114ff. Mit freundlicher Genehmigung des Verlages.