Was Jesus über das Verhältnis zwischen Gott und uns Menschen sagte
Menschliche Vorstellungen von Gott sind ja recht unterschiedlich. Ein Blick in das religiöse Verhalten der Menschen zeigt das allzu deutlich. Wer ist Gott überhaupt? Wie ist Er? Ist er der heilige, gerechte, strafende, ewige Herrscher? Oder der liebende, vergebende, sich erbarmende, sich zu uns herabneigende Vater? Ist Gott wirklich heilig und gerecht, wenn er sich erbarmt und uns unsere Schuld vergeben will?
Jesus schildert Gott nicht als ein abstraktes, fernes und unnahbares Wesen, sondern als den, der Anteil nimmt an uns, seiner Schöpfung. Jesus spricht über Gottes Gerechtigkeit, Herrlichkeit und Allmacht, aber er zeigt uns auch seine persönliche, uns zugewandte Seite. Er gewährt uns gleichsam einen Blick in Gottes Herz.
In vielen Gleichnissen stellt Jesus das Reich Gottes vor. Gott wird als ‚König’ und Richter, aber auch als unser himmlischer Vater vorgestellt. Auch das menschliche Wesen, Verantwortung und Schuld, Vergebung, Gericht, Verdammnis, Himmel und Hölle werden angesprochen:
„Ein Mann hatte zwei Söhne. Eines Tages sagte der jüngere zu ihm: 'Vater, ich will jetzt schon meinen Anteil am Erbe ausbezahlt haben.' Da teilte der Vater sein Vermögen unter ihnen auf. Nur wenige Tage später packte der jüngere Sohn alles zusammen, verließ seinen Vater und reiste ins Ausland. Dort leistete er sich, was immer er wollte. Er verschleuderte sein Geld, bis er schließlich nichts mehr besaß. In dieser Zeit brach eine große Hungersnot aus. Es ging ihm sehr schlecht.
In seiner Verzweiflung bettelte er so lange bei einem Bauern, bis der ihn zum Schweinehüten auf die Felder schickte.
Oft quälte ihn der Hunger so, dass er sogar über das Schweinefutter froh gewesen wäre. Aber nicht einmal davon erhielt er etwas.
Da kam er zur Besinnung: 'Bei meinem Vater hat jeder Arbeiter mehr als genug zu essen, und ich sterbe hier vor Hunger.
Ich will zu meinem Vater gehen und ihm sagen: Vater, ich bin schuldig geworden an Gott und an dir. Sieh mich nicht länger als deinen Sohn an, ich bin es nicht mehr wert. Aber kann ich nicht als Arbeiter bei dir bleiben?'
Er machte sich auf den Weg und ging zurück zu seinem Vater. Der erkannte ihn schon von weitem.
Voller Mitleid lief er ihm entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn.
Doch der Sohn sagte: 'Vater, ich bin schuldig geworden an Gott und an dir. Sieh mich nicht länger als deinen Sohn an, ich bin es nicht mehr wert.'
Sein Vater aber befahl den Knechten: 'Beeilt euch! Holt das schönste Gewand im Haus, und gebt es meinem Sohn. Bringt auch einen Ring und Sandalen für ihn!
Schlachtet das Mastkalb! Wir wollen essen und feiern! Mein Sohn war tot, jetzt lebt er wieder. Er war verloren, jetzt ist er wiedergefunden.' Und sie begannen ein fröhliches Fest.
Inzwischen kam der ältere Sohn nach Hause. Er hatte auf dem Feld gearbeitet und hörte schon von weitem die Tanzmusik.
Erstaunt fragte er einen Knecht: 'Was wird denn hier gefeiert?'
Dein Bruder ist wieder da', antwortete er ihm. 'Dein Vater hat sich darüber so gefreut, dass er das Mastkalb schlachten ließ. Jetzt feiern sie ein großes Fest.'
Der ältere Bruder wurde wütend und wollte nicht ins Haus gehen. Da kam sein Vater zu ihm heraus und bat: 'Komm und freu dich mit uns!'
Doch er entgegnete ihm bitter: 'All diese Jahre habe ich mich für dich geschunden. Alles habe ich getan, was du von mir verlangt hast. Aber nie hast du mir auch nur eine junge Ziege gegeben, damit ich mit meinen Freunden einmal richtig hätte feiern können. Und jetzt, wo dein Sohn zurückkommt, der dein Geld mit Huren durchgebracht hat, jetzt lässt du sogar das Mastkalb schlachten!' Sein Vater redete ihm zu: 'Mein Sohn, du bist immer bei mir gewesen. Was ich habe, gehört auch dir. Darum komm, wir haben allen Grund zu feiern. Denn dein Bruder war tot, jetzt hat er ein neues Leben begonnen. Er war verloren, jetzt ist er wiedergefunden!'"“
(Luk. 15:11-32)
Diese Geschichte stellt manche unserer Vorstellungen von Gott und uns auf den Kopf! Sicher müßte doch der ältere Bruder der Gute sein. Der junge war der Taugenichts. War es nicht der ältere Bruder, der brav getan hat, was der Vater nach seiner Ansicht von ihm verlangt hatte, der sich für den Vater abgeschunden hatte? Doch der ältere Sohn verhielt sich nicht, wie das Kind des Vaters, sondern wie ein Angestellter, wie ein Knecht, freudlos. Er hatte das Anliegen seines Vaters offensichtlich überhaupt nicht verstanden. Der erwartete kindliche Zuneigung und Liebe. Das Tun sollte von Liebe bestimmt sein; nicht von Pflichtgefühl: Das zeigte sich auch an dem inneren Groll, den er offensichtlich gegen seinen Vater und seinen Bruder hegte.
Jesus warnt sehr deutlich vor solcher Selbstgerechtigkeit, was eine Verkennung der Gerechtigkeit und Heiligkeit Gottes ist:
„Zwei Männer gingen in den Tempel, um zu beten. Der eine war ein Pharisäer, der andere ein Zolleinnehmer.
Selbstsicher stand der Pharisäer dort und betete: 'Ich danke dir, Gott, dass ich nicht so bin wie andere Leute: kein Räuber, kein Gottloser, kein Ehebrecher und schon gar nicht wie dieser Zolleinnehmer da hinten.
Ich faste zweimal in der Woche und gebe von allen meinen Einkünften den zehnten Teil für Gott.'
Der Zolleinnehmer dagegen blieb verlegen am Eingang stehen und wagte kaum aufzusehen. Schuldbewusst betete er: 'Gott, vergib mir, ich weiß, dass ich ein Sünder bin!'
Ihr könnt sicher sein, dieser Mann ging von seiner Schuld befreit nach Hause, nicht aber der Pharisäer. Denn wer sich selbst ehrt, wird gedemütigt werden; aber wer sich selbst erniedrigt, wird geehrt werden."
(Luk. 18:10-14)
Wir finden hier drei Grundtypen. Da ist der Rebell – hier der junge Mann, der sein Leben lieber eigenmächtig gestalten und der Obhut des Vaters entfliehen will. Dann ist da sein Bruder, der nicht ausgebrochen war, sondern seinem Vater diente. Das ist an sich gut, wenn das Motiv es auch gewesen wäre. Doch er hatte seine eigene Vorstellung. Er suchte die Gunst des Vaters zu verdienen. Zu der Zeit als Jesus auf der Erde lebte, gab es davon recht viele. Typisch dafür waren die Pharisäer. Nennen wir sie mal selbstgerechte Verdiener. Und drittens finden wir das wiederangenommene ‚Kind’, hier der Sohn, der einsichtig geworden und aus eigenem Entschluß zum Vater, nach Hause, zurückgekehrt war. Er erkannte, daß es niemand so gut mit ihm meint, wie sein Vater.
Der Vater hatte ganz offensichtlich sehnsüchtig auf die Rückkehr seines Sohnes gewartet. Er hatte ihn nicht abgeschrieben. Im Gegenteil. Durch die Liebe des Vaters einerseits und das Schuldbekenntnis des Sohnes andererseits, wurde das zerbrochene Verhältnis wieder geheilt. Erkennbar wird aber auch, daß ein inniges Verhältnis zum Vater im Himmel nicht durch Eigenleistung oder Verdienst erworben werden kann, sondern durch aufrichtige und vertrauensvolle Hinwendung zu ihm.
Schwer verständlich ist es zunächst auch, daß der Vater keine Strafe über den verlotterten Heimkehrer verhängte oder gar Wiedergutmachung gefordert hatte! Die könnte ja sowieso niemand leisten. Die Vergangenheit läßt sich nun einmal nicht ungeschehen machen. Doch die sich erbarmende Vaterliebe war größer als das Vergehen. Er nahm ihn auf, eben weil er ein rechter Vater war und weil der Sohn nach Hause kam und dort bei ihm sein wollte. Auch wir können weder für unsere kleinen, noch unsere großen Schulden bei Gott etwas zurückerstatten. Womit denn auch? Für den Vater ist die Tatsache, daß sein Sohn zu ihm zurückkehrte, der entscheidende Faktor. Gottes Verlangen ist es ja, daß wir nach Hause kommen. Und darauf wartet er sehnsüchtig.
In einem anderen Gleichnis unterstreicht Jesus einen ähnlichen Aspekt:
“Wenn ein Mensch hundert Schafe hat und eins geht verloren, was wird er tun? Lässt er nicht die neunundneunzig in der Wüste zurück, um das verlorene Schaf so lange zu suchen, bis er es gefunden hat? Dann wird er es glücklich auf seinen Schultern nach Hause tragen und seinen Freunden und Nachbarn zurufen: 'Kommt her, freut euch mit mir, ich habe mein Schaf wiedergefunden!'
Ich sage euch: So wird man sich auch im Himmel freuen über einen Sünder, der zu Gott umkehrt - mehr als über neunundneunzig andere, die nach Gottes Willen leben und nicht zu ihm umkehren müssen.“
(Luk. 15:3-7)
Ob wir, wenn wir an Gott denken, (manchmal) das Bild von einem unbestechlichen Richter vor Augen haben? Natürlich ist Gott unbestechlich, sonst wäre er ja nicht gerecht. Seine Heiligkeit wird beim ‚jüngsten Gericht’ offenbar werden. Dort wird es einen Rechtspruch nach den Tatbeständen geben. Wir hätten allen Grund dem mit grausigem Schrecken und großer Angst entgegenzusehen – es sei denn, wir sind vorher von Gott begnadigt!
So sagt Jesus in einem Gleichnis über das große Endgericht, daß der ‚König’ jemandem, der dem Gesetz Gottes nicht entsprochen und verantwortungslos gehandelt hatte:
„Werft diesen Nichtsnutz hinaus in die Finsternis, wo es nur Weinen und ohnmächtiges Jammern gibt!'"
(Matth. 25:30)
Dann gab es jemand, so erzählt Jesus in einem anderen Gleichnis, der auf seine eigene Weise in den Himmel zu gelangen suchte. Er handelte im Sinne des älteren Bruders, der es durch Eigenleistung versuchte. Er wollte einfach nicht einsehen, daß dies immer unzulänglich und der Gerechtigkeit Gottes unangemessen ist:
„Da befahl der König: 'Fesselt ihm Hände und Füße, und werft ihn hinaus in die Finsternis! Dort wird es nur Heulen und ohnmächtiges Jammern geben.'“
(Matth. 22:13)
Doch wie es der verlorene Sohn erfahren hatte, bietet Gott allen Menschen die Begnadigung an. ‚Kinder’ des Vaters sind diejenigen, die seine Begnadigung angenommen haben. Sonst bleiben sie ‚Verdiener’ oder Rebellen.
Dieses Angebot steht nicht nur allen offen. In dem Gleichnis des verlorenen Schafes will Jesus uns wissen lassen, daß Gott, der Vater, uns sogar sucht! Und daß, wenn wir uns von ihm finden lassen, er uns glücklich auf seinen Schultern nach Hause trägt. Und daß dann Freude im Himmel (!) ist über jeden Heimkehrer! Der Richter ist dann eben unser Vater! Man stelle sich das mal vor!
Das ist das Evangelium‚ die ‚gute Botschaft’.
>Vorheriges Kapitel< >Inhaltsverzeichnis< >Nächstes Kapitel<