Brief 3

Lieber Abdullah,

schön, dass Du mir so bald geantwortet hast vielen Dank dafür. Ich freue mich darüber, daß auch Du Offenheit für ein Gespräch von so wesentlicher Art, wie das unsere jetzt, als Voraussetzung ansiehst. Wie ich schon schrieb, ist es mir nur sehr wichtig, dass wir bei unseren Überlegungen nicht zuerst unsere Überzeugungen zur Debatte stellen, sondern überprüfbare Fakten. Eine Mutter mag, beispielsweise, völlig davon überzeugt sein, dass ihr Sohn keine Drogen nimmt. Ein Bluttest mag das Gegenteil erweisen. Hat nun die Mutter kraft ihrer Überzeugung recht oder das Testergebnis? Wir müssen einfach akzeptieren, daß subjektive Überzeugungen nachweisbare objektive Tatsachen in unserem Denken allzu leicht übertönen können. Der Wahrheitsfindung dient das nicht.

Nun meine Reflektion zu Deinem Brief. Es ist natürlich klar, dass man Gott, sein Wesen, sein Reich oder auch Begriffe, wie Offenbarung, Ewigkeit oder Himmel und Hölle, nicht erklären oder gar belegen kann, wie eine mathematische Aufgabe oder irgendein anderes Thema aus dem Raum der Naturwissenschaft. Man kann Gott nun einmal genau so wenig beweisen, wie man ihn sehen kann. Ich erwähne dies, weil Du schriebst, daß Du tiefsitzende Reservationen gegenüber der Glaubwürdigkeit der heute im Umlauf befindlichen Bibel hast. Für Christen ist die Bibel nun einmal Offenbarung und somit die Quelle von der her man über Gott und die ewigen Dinge gültige Auskünfte bekommt.

Ich will versuchen, auf Deine Gedanken einzugehen, doch möchte ich gleich anfangs sagen, daß oftmalige Wiederholungen einen Irrtum oder gar eine Unwahrheit nicht wahr machen. Ja, es gibt viele Kritiker der Bibel, und die findet man in allen möglichen Denkrichtungen, nicht zuletzt auch unter denen, die sich Christen nennen. Das Paradoxe dabei ist, dass Christ-sein nun einmal den Glauben an Gott beinhaltet, der auf der Bibel basiert. Ich möchte noch dazu sagen, daß ich nichts gegen echte Zweifler habe. Ein echter Zweifler sucht die Wahrheit. Sonst ist er kein Zweifler, sondern ein Heuchler oder Atheist. Der hat sich schon für den Unglauben entschieden.

Um das Problem besser klären zu können, muß ich nun etwas ausholen. Grundsätzlich erkennt man wirkliche Christen nicht nur daran, daß sie an Gott glauben, sondern Ihm, d.h. seiner Offenbarung, glauben und Ihm bewußt nachfolgen. Die übliche Mitgliedschaft bei einer Kirche macht niemanden zu einem Christen. Es gab und gibt immer Leute, welche die Bibel infrage stellen und ihre göttliche Herkunft nicht anerkennen, sich aber trotzdem als Christen verstehen. Warum wohl? Es mag Unwissenheit, Gleichgültigkeit oder Oberflächlichkeit sein. Ein weiteres Mißverständnis ist zu meinen, man sei ein guter Christ, wenn man ein einigermaßen anständiger Mensch ist. Ihr Gottesbild ist somit nicht auf die Offenbarung Gottes gründet, sondern auf menschliche Wertsysteme gestützt.

Der natürliche Mensch (gegenüber dem geistlichen Menschen) wird immer geneigt sein, Gottes Wort eigenen Vorstellungen anzupassen, eifrig darauf bedacht, im Leben ja nichts zu verpassen. Ganz, als ob Gott, der uns ja die Freude und die Fülle schenken will, ein Spielverderber oder Miesmacher wäre. Daß er das nicht ist, wird beim Lesen seines Wortes sehr deutlich.

Die einen meinen, Gott durch Eigenleistungen beeindrucken oder beeinflussen zu können, um dadurch ihr Schuldkonto zu reduzieren. Andere sehen Gott anscheinend als einen Despoten an, der uns keine Freude gönnt. In der christlichen Szene finden wir beides. Die einen sehen in Gott den heiligen Rächer, den man durch seine guten Werke beschwichtigen muß, und andere, oft sind es gar Theologen, die Gott als einen wohlwollenden, harmlosen Opa darstellen. Doch beide interpretieren das Wort Gottes nach eigenem Denkvoraussetzungen und verkennen sowohl seine Liebe als auch seine Heiligkeit.

Hier taucht nun eine Grundsatzfrage auf. Ist es legitim, die Bibel, den Koran, oder irgendeine andere Schrift, die als Offenbarung von Gott angesehen wird, überhaupt zu hinterfragen?

Christen wenden beim Studium der Bibel die sogenannte Textkritik an. Hier studieren qualifizierte Leute die alten Handschriften, vergleichen sie und erstellen gleichsam einen Stammbaum, um diese alle nach Generationen zu ordnen, um Kopierfehler korrigieren zu können, die sich eventuell über die Jahrhunderte eingeschlichen haben. Immerhin wurden die ältesten Teile des Alten Testaments über etwa 3000 Jahre handschriftlich kopiert! Dann sollen Worte, Idiome oder Begriffe, die sich ja in jeder Sprache im Laufe der Zeit verändern, in der Bibel in ihrer ursprünglichen Bedeutung dargestellt sein. Das bedeutet wissenschaftliche Arbeit mit den Texten der sehr vielen uralten handgeschriebenen Manuskripte. Viele Wissenschaftler, Christen wie Nichtchristen, haben diese gründlich und kritisch studiert. Das gibt uns die Gewissheit, dass der hebräische und griechische Originaltext der Bibel, von dem alle Übersetzungen ausgehen, auch heute noch, eine weitgehendst perfekte Wiedergabe der Urschrifen darstellt.

Wir müssen nun fair sein und denselben Maßstab an alle Manuskripte und Schriften legen. Also gleiche Regeln für alle.Wir können nicht denen, welche Kopier- und Verständnisfehler korrigieren, unterstellen, daß sie damit zugeben, ihre Schrift sei verfälscht worden, während man denen, die keine Textkritik zulassen, bescheinigt, daß ihre Schrift intakt ist. Muslime gehen ja grundsätzlich davon aus, dass der Koran und was davon abgeleitet wird, außerhalb jeglicher Kritik steht. Es ist taabbudi (nicht zu hinterfragen), und darum hat sich jeder Mensch grundsätzlich darunter zu stellen.

Unabhängig davon hat sich dann aber noch eine Bibelkritik entwickelt, die allzu oft auf der sehr willkürlichen Meinung gewisser Kritiker beruht und durch ebenso willkürliche Argumentation gestützt wird. Sie orientiert sich an rein vernunftsmässigen oder, wenn man so will, wissenschaftlichen Maßstäben, und dieses wird von bibelgläubigen Christen abgelehnt. Warum? Weil das Fundament nicht stimmt.

Diese sogenannte historisch-kritische Methode versucht die biblischen Texte anhand ihrer Auffassung von Glaubwürdigkeit zu korrigieren. Die Bibel lehrt beispielsweise, daß die Juden trockenen Fusses durchs Rote Meer zogen, nachdem Gott für sie gleichsam einen Weg durch das Wasser gebahnt hatte. Wir lesen auch, dass Jesus von einer Jungfrau geboren wurde, auf dem Wasser lief und Tote zum Leben erweckte. Da die Kritiker nicht an das Übernatürliche glauben, und Wunder nicht nach Belieben nachvollzogen werden können, also nicht empirisch nachgewiesen und somit nicht wissenschaftlich sind, wird daraus geschlossen, daß alle Berichte, die den menschlichen Normen und Erfahrungen nicht entsprechen, zwangsläufig Legenden sein müssen. Die fragwürdigen biblischen Berichte interpretieren die Kritiker nun nach ihrem Ermessen, um sie dadurch glaubbar zu machen. Das erlaubt den Menschen in der westlichen Welt den gefährlichen Trugschluß, daß die Bibel keine göttliche Autorität darstellt, also auch keine Relevanz für ihr Leben hat. So versuchte und versucht man, Gott ins Abseits zu stellen. Und das hat wohl dazu geführt, daß die große Masse der Menschheit so lebt, als existiere Gott überhaupt nicht.

Macht solche Methodik die biblische Botschaft wirklich unglaubwürdig? Was ist das Kriterium einer Glaubwürdigkeit überhaupt? Unser Glaube? Das wäre wiederum unsere Überzeugung, und darum als Beweis unzureichend. Wie kann man nun eine vertrauenswürdige Antwort auf all diese Fragen erhalten? Laß uns mal darüber nachdenken.

Zunächst gilt es festzustellen, daß die Bibel mit weitem Abstand besser dokumentiert ist, als irgendeine andere Schrift ähnlichen Alters. Vergleichen wir mal die bekannte Geschichtsschreibung von Caesar über den Punischen Krieg, der etwa zeitgleich mit dem Neuen Testament ist. Diese Schrift ist ohne Vorbehalte von Historikern akzeptiert und wird noch heute in den Schulen im Lateinunterricht studiert. Es existieren davon etwa zehn Manuskripte, und das älteste davon wurde etwa 900 Jahre nach dem Original geschrieben. Die dazwischenliegenden Kopien sind verloren gegangen. Vergleichsweise existieren vom Neuen Testament über 5000 Manuskripte, und das älteste wird in das erste Jahrhundert datiert.

Was mich nun sehr bekümmert ist die Tatsache, daß muslimische Gelehrte diesen ungemessenen Trend unterstützen, denn auch sie stellen die Bibel als verfälscht dar, wo doch der Koran etwas ganz anderes sagt:

Wir glauben an Allah und an das, was er uns und was er Abraham und Ismael und Isaak und Jakob und den Stämmen offenbarte, und an das, was Moses und Jesus und den (anderen) Propheten von ihrem Herrn gegeben wurde Wir kennen unter diesen keinen Unterschied. (Sure 2:137).

Wer sein Leben (Urteil) nicht nach der Offenbarung Allahs und nach dem, was er herabsandte, richtet, der gehört zu den Ungläubigen. Wir haben Jesus, den Sohn der Maria, den Fußstapfen der Propheten folgen lassen, die Thora bestätigend, welche in ihren Händen war, und gaben ihm das Evangelium, das Licht und Bestätigung der Thora enthältdem Gottesfürchtigen zur Leitung und Erinnerung. Die Besitzer des Evangeliums sollen nun nach den Offenbarungen Allahs urteilen; wer aber nicht nach den Offenbarungen Allahs urteilt, gehört zu den Frevlern. (Sure 5:45-48).

Mit den Schriftbesitzern (d.h. Juden und Christen) streitet nur auf die anständige Weise und sagt: Wir glauben an das, was uns, und an das, was euch offenbart worden ist. Allah, unser Gott und euer Gott, ist nur einer, und wir sind ihm ganz ergeben.. (Sure 29:47).

Der Koran bestätigt also sehr deutlich, daß die Bibel Gottes Wort ist. Und als solches ist es, wie zu Recht behauptet, auch unveränderlich bzw. unwandelbar: Die Worte Allahs ändert niemand ab! (Sure 6:35), Allahs Wort ist unwandelbar! (Sure 10:65). Welcher Muslim wollte das wohl anfechten?

Es gibt nun allerdings auch Stimmen, die darauf bestehen, der Koran lehre, die Bibel sei doch verfälscht worden. Sie verweisen dann auf einen anderen Text:

Ihr Schriftbesitzer, bemäntelt nicht Wahrheit mit Unwahrheit, um die Wahrheit zu verbergen, da ihr es besser wißtViele von ihnen lesen ihre Verfälschungen so aus der Schrift vor, daß ihr glauben sollt, es sei so in der Schrift enthalten. So steht es aber nicht darin. (Sure 3:72, 79).

Es wird hier festgestellt, daß einige (Juden) den existierenden und offensichtlich bekannten Text beim Vorlesen verfälschten. Wäre das geschriebene Wort verfälscht worden, hätte der Koran den Muslimen sicher etwas anderes über die Bibel gesagt.

Vielleicht sollte auch erwähnt sein, daß die frühen islamischen Theologen, wie at-Tabari (gest. AD 855), al-Bukhari (gest. AD 870) und auch al-Ghazzali (gest. AD 1111), die Authentizität des Textes des Evangeliums bestätigten.

Wer nun trotz dieser Tatsachen bei dieser Behauptung bleibt, daß die Bibel verfälscht sei, muß ehrlicherweise drei Fragen beantworten:

  1. Wer hat die Bibel verändert oder verfälscht?
  2. Wo finden wir einen Originalbibeltext, anhand dessen wir eine Fälschung nachweisen könnten?

Wer sich diesen Fragen nicht stellen will und somit gegen besseres Wissen Unwahrheiten verbreitet, stellt sich damit gegen Gott und sein Wort! Man muß natürlich dann auch die Integrität dieser Menschen infrage stellen.

Wir stellen also fest: Wäre die Bibel vor der Zeit Muhammads verfälscht worden, hätte der Koran ihr sicher nicht eine so positive Beurteilung gegeben. Und da Tausende von handschriftlichen Bibeltexten in unseren Museen und Bibliotheken aufbewahrt sind, die bereits Jahrhunderte vor Muhammads Geburt geschrieben wurden, kann es also auch keine Fälschung nach der Zeit Muhammads gegeben haben.

Dazu können wir auch lesen, daß der Koran die Bibel bestätigen und auch erklären sollte:

Dieser Koran bestätigt das, was vor ihm offenbart wurde, und er erklärt die Schrift. (Sure 10:38).

Das kann nichts anderes heißen, als daß der Koran die biblischen Schriften, zumindest inhaltlich, als Offenbarungen ansieht und diese bestätigt. Nun ist es aber so, dass der Koran die Bibel zwar auf einer Ebene bestätigt, ihr aber auf anderen widerspricht. Es erscheinen viele Namen aus der Bibel im Koran, doch die damit verbundenen Berichte sind oft sehr unterschiedlich. Aber auch grundsätzliche Glaubensinhalte sind oft sehr anders wiedergegeben

Nun stellt sich die Frage, was wohl die Menschen, die trotz besseren Wissens behaupten, die Bibel sei verfälscht, dazu veranlaßt, solche Behauptung aufzustellen und sie zu verbreiten. Muß man eine Lüge benutzen, um eigene Probleme zu verschleiern? Das muss sicher auch das Motiv sein, wenn gewisse Muslime ohne jegliche Hinweise auf den Korans oder die Bibel die Behauptung aufstellen, daß der Koran den Text der Bibel ablöse. Als ob Gott es für nötig ansah, sein als ewig erklärtes Wort korrigieren zu müssen! Solche Annahme ist pure Gotteslästerung.

Der Gedanke drängt sich auf, daß all die Anschuldigungen hervorgebracht wurden, um ein offensichtliches Dilemma zu vertuschen. Wenn die Bibel und der Koran beide Offenbarungen Gottes sind, sich aber in vielem widersprechen, muß man natürlich fragen, wie die Diskrepanz zwischen der Bibel und dem Koran zustande kam. Es gibt da nur zwei mögliche Antworten. Entweder ist eine der Schriften keine Offenbarung, und das leugnet der Koran, oder eine der Offenbarungen ist verfälscht worden. Und da man dies vom Koran nicht annehmen wollte oder konnte, mußte es eben die Bibel sein. Und das kann, wie wir gesehen haben, nicht möglich gewesen sein. Warum sollte auch jemand Gottes Wort ändern oder entstellen wollen, wo die Bibel klar aussagt, daß dies zu ewiger Verdammnis führt?

Ob ich Dich wohl dazu angeregt habe, meine Aussagen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen? Das fängt sicher damit an, daß Du selbst einmal die Bibel, zumindest das Neue Testament, zur Hand nimmst und liest, um Dir eine eigene, unabhängige Meinung darüber zu bilden.

Abschließend möchte ich Dich herzlich bitten, meine Ausführungen nicht als einen Angriff auf Dich oder Deinen Glauben anzusehen. Ich möchte Dich mit meinen Aussagen wirklich nicht verletzen oder Dir weh tun. Aber ich würde mich freuen, wenn Du mit offenem Herzen und Verstand Dir selbst ein Bild machst von dem, was hier angesprochen wurde.

Ich grüße Dich vielmals!

 

Dein

Theophilus