Verständnisprobleme
Nachdem nun kategorisch klargelegt worden ist, dass der Koran der Bibel keine Verfälschung unterstellt, müssen wir doch feststellen, dass auch die Bibel, wie der Koran und alle anderen Manuskripte aus dem Altertum, Probleme aufwirft. Viele davon beruhen auf unserem unvollständigen Wissen, andere sind konzeptionell. Damit wollen wir uns jetzt auseinandersetzen.
Bevor wir aber einzelne Problemstellen beleuchten, ist es unumgänglich, einige Begriffe zu definieren, denen Muslime und Christen andere Bedeutungen beimessen. Ohne dies zu tun, reden wir aneinander vorbei. Beginnen wir mit:
Inspiration und Offenbarung
Diese Worte sind ein zentraler Teil jeder Glaubenslehre, werden aber oft recht leichtfertig und unbekümmert benutzt.
Das biblische Konzept
Das Wort ‘Inspiration’ (lat. inspiratio) heisst soviel wie ‘Eingebung’. Dies ist eine gute Wiedergabe des hebräischen Wortes neschamah und des griechischen theopneustos, welche im Alten und Neuen Testament dafür benutzt werden. Theos heisst offensichtlich Gott, und pneo, wie auch neschama, heisst soviel wie atmen. Inspiration ist somit etwas, was von Gott, was aus Gott heraus, zu einem Menschen kommt. Das Wort theopneustos ist vielleicht am besten zu verstehen in der Aussage, dass “alle Schrift von Gott eingegeben” ist (2. Tim. 3:16). Im biblischen Sinn schliesst das Wort ‘Schrift’ (griech. graphe) allerdings nicht alles ein, was irgendwo geschrieben steht, sondern meint in allen (50) Fällen das Alte und auch das Neue Testament (Röm. 16:26, 2. Petrus 3:15, 1. Thess. 2:13, 1. Joh. 1:5 etc).
In der Bibel werden verschiedene Inspirationsweisen angedeutet:
“Ich sah den Herrn sitzen auf einem hohen und erhabenen Stuhl ...“ (Jes 6:1);
“Und ich sah wie ein gläsernes Meer mit Feuer gemengt“ (Offb 15:2).
“So spricht der Herr ...“ (Jer 13:1 und viele andere Stellen);
“Das Wort des Herrn geschah zu mir ...“ (Jer 13:8 und andere Stellen).
“Dies ist die Last [oder Bürde], die der Herr redet durch Maleachi wider Israel“ (Mal 1:1).
Offenbarung (hebr. galah, griech. apokalypse) ist, was enthüllt, wahrnehmbar oder erkennbar gemacht wird. Man könnte also sagen, dass eine Offenbarung durch Inspiration geschieht. Eins betrifft den Inhalt, das andere den Vermittlungscharakter oder die Vermittlungsform. Wir unterscheiden eine allgemeine Offenbarung Gottes - einmal in der Schöpfung, die jedermann vor Augen ist und auch in der Funktion des Gewissens - und spezifische Offenbarung, das logos Gottes. (Logos wird oft als ’Wort’ übersetzt, hat aber eine viel breitere Bedeutung). Das ist die Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus und auch im inspirierten Wort. Wir lesen im Neuen Testament: “Am Anfang war das Logos, und das Logos war bei Gott, und Gott war das Logos… und das Logos wurde Sarx und wohnte unter uns” (Joh. 1:1, 14). Sarx wird meist etwas veraltet mit ’Fleisch’ übersetzt, bedeutet aber eher menschlich oder körperlich. Somit sagen Christen richtig, dass Gott in körperlicher Form (Sarx) als Jesus auf die Erde kam. Deshalb konnte Jesus sagen: “Wer mich sieht, der sieht den Vater“ (Joh 14,9).
Das ist für Muslime eine sehr anstössige Aussage, weil sie meinen, das Jesus gleichsam ein zweiter Gott neben Gott ist, was nun wirklich nicht gemeint ist.
Das islamische Konzept
Der Islam benutzt natürlich ein anderes Wort als Ausgangspunkt, das auch eine etwas andersartige Bedeutung hat. Das arabische Wort wahy beinhaltet nicht eine Selbstoffenbarung Allahs, sondern die Bekanntgabe seines Willens: “Es steht dem Menschen nicht zu, dass Allah zu ihm spricht, ausser durch wahy, … oder indem er einen Boten sendet, um ihm mit seiner (d.h. Allah’s) Erlaubnis zu offenbaren, was er will”, sagt der Koran (Surah 42:52). Mit Bote ist wohl der Erzengel Gabriel gemeint, der nach islamischem Verständnis Muhammad die Botschaften Allahs überbrachte.
Der Islam sieht offensichtlich den Koran als solche Botschaft (wahyu Qur’an) an. Als inspiriert angesehen werden aber auch die Aussagen Muhammad’s, welche die Botschaft des Koran erläutern und interpretieren sollen (wahyu qalb und auch Ishratu'l-Malik), d.h. die Hadithen.
Ohne polemisch sein zu wollen, müssen wir die Unterschiede im Gebrauch des Wortes Offenbarung in den beiden Religionen zur Kenntnis nehmen.
Das unterschiedliche Schriftverständnis
Schon aufgrund des unterschiedlichen Verständnisses von dem, was Offenbarung und Inspiration bedeutet, ist es unausbleiblich, dass ein unterschiedliches Verständnis über das besteht, was wir als offenbarte und inspirierte Schrift ansehen.
Für einen Muslim bedeutet dieser Begriff, dass ein in Ewigkeit im Himmel existierendes Buch von Zeit zu Zeit verschiedenen Nationen mittels des Engels Gabriel und eines zeitgenössischen Propheten als ein Diktat den damals und dort lebenden Menschen gegeben wurde. ”Wir (i.e. Allah) gaben (Moses) die Torah und Jesus das Evangelium”, erklärt der Koran (Sura 5:45- 47) beispielsweise.
Der Koran wird natürlich als die letzte und somit allein unverfälschte Offenbarung angesehen. Es wird über ihn ausdrücklich gesagt, dass Allah ihn vor allen Verfälschungen bewahren würde (Sura 15:10). Nun ist allen, die mit der Materie vertraut sind, bekannt, dass dies eben nicht so ist, sondern dass es sehr viele unterschiedliche Textlesungen gibt (mehr darüber in ‘Christen fragen Muslime’).
Die Muslime verstehen also die heiligen Schriften als Offenbarung, die keinerlei menschlichem Einfluss ausgesetzt war. Alles steht auf der Prämisse, “so spricht der Herr…”. Aber auch diese Aussage ist äusserst anfechtbar (ibid).
Mit dieser Denkvorgabe sehen Muslime in der Bibel vieles, was ihrem Konzept von Offenbarung widerspricht. Nehmen wir als Beispiel nur einmal die Evangelienberichte des Matthäus, des Markus, des Lukas und des Johannes. “Und wo finden wir das Evangelium, das Jesus gegeben wurde?”, wird jeder Muslim unwillkürlich denken. Wir wissen, dass es so etwas nie gegeben hat, aber für einen Muslim ist das eben das einzige Evangelium, das nun offensichtlich verloren gegangen und durch vier andere ersetzt wurde.
Ein Muslim wird in der Apostelgeschichte zu Recht einen historischen Bericht sehen und sich fragen, warum wir so etwas, oder einen Brief, den ein Paulus beispielsweise an die Christen in Rom geschrieben hatte, als Wort Gottes ansehen.
Christen haben ein anderes Schriftverständnis und gehen davon aus, dass Gott seine Gedanken bestimmten Menschen eingegeben hat, die diese dann unter der Leitung seines Geistes schriftlich fixierten. Wir gehen ebenso davon aus, dass Gott seine Boten nicht als Schreibmaschinen benutzte, sondern dass sie die inspirierten Gedanken Gottes innerhalb ihres Zeitzusammenhangs und des Sprachgebrauchs und der Denkvoraussetzungen der angesprochenen Menschen wiedergaben. Das heisst, dass ein Philologe, d.h. ein Sprachwissenschaftler, gewisse Schreiber biblischer Bücher anhand ihres Stils zu identifizieren vermag.
Es muss aber auch bemerkt werden, dass manche prophetischen Aussagen, selbst von den ursprünglichen ’Empfängern’, kaum verstanden werden konnten. Diese schrieben das Geschaute, ohne den Inhalt verstehen zu können, nieder, bis, vielleicht Jahrhunderte später, nach der Erfüllung solcher Prophetie, der Sinn erkennbar und begreifbar wurde. Denken wir nur an die Worte Davids, welche die Kreuzigung Jesu beschreiben, und die 1000 Jahre vor diesem Ereignis inspiriert wurden: “Sie haben meine Hände und Füsse durchgraben … sie teilen meine Kleider unter sich und werfen das Los um mein Gewand” (Ps. 22:17-19).
Natürlich kommt der Ausspruch, “so spricht der HERR!“ in der Bibel, wie auch im Koran, immer wieder vor. Das Für-wahr-halten dieser Aussage im einen, wie im anderen Buch, ist jedoch letztlich ein Glaubensakt.
Urschriften und Manuskripte
Biblische Manuskripte
Die biblischen Urschriften datieren weit zurück. Sie entstanden zwischen 1400 v. Chr. und 90 n. Chr., also über eine Zeitspanne von etwa 1500 Jahren. Wenn auch manche Theologen diese Datierung anfechten, haben wir heutzutage doch glaubwürdige Indizien, welche die angegebenen Daten bestätigen.
Die Urschriften wurden, wenn sie durch Gebrauch abgenutzt und somit unleserlich wurden, stelbstverständlich handschriftlich, kopiert. Das Schreibmaterial bestand zu alttestamentlicher Zeit zunächst aus grobgegerbten Tierhäuten, die zu längeren Bahnen vernäht wurden. An beiden Enden der um 30-50 Zentimeter breiten Lederstreifen wurden etwas längere Stöcke befestigt und das Ganze wurde zu einer ‘Buchrolle’ aufgerollt, deren Länge vom Umfang des Textes bestimmt war. Dann wurde der Text darauf geschrieben. Im Falle des Alten Testamentes wachten die sogenannten Massoreten (den Bibeltext im Hebräischen nannte man Massora), beim Kopieren der Texte darüber, dass sich keine Fehler in den Text einschleichen konnten. Wenn sich jedoch ein Fehler eingeschlichen hatte, musste das ganze Manuskript begraben, und durch eine neue Rolle ersetzt werden.
Das ganze Alte Testament wurde schon um etwa 200 v. Chr. von 70 Rabbinen ins Griechische übersetzt, weil viele Juden zu der Zeit kein Hebräisch mehr verstanden. Dieser Text heisst die Septuaginta (d.h. siebzig, und verweist auf die Zahl der Übersetzer).
1948 wurde eine grosse Anzahl gut erhaltener alttestamentlicher Pergamentrollen (aus Tierhäuten) in den Höhlen von Qumran in der Nähe des Toten Meeres entdeckt. Man fand darunter beispielsweise auch ein vollständiges Exemplar einer Schriftrolle des Propheten Jesaja aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. Es stimmt mit dem Text der bisher ältesten Textzeugen überein!
Zwischen 500 v. Chr. bis etwa 400 n. Chr. ersetzte Papyrus weitgehend die Tierhäute. Papyrus ist eine Urform von Papier. Die Stengel der Papyrusstaude wurden längs in dünne Streifen geschnitten, und diese wurden kreuzweise verleimt und gepresst, sodass eine Art Papierbögen entstanden. Das Neue Testament wurde, zumindest anfänglich, auf Papyrus geschrieben. Nun ist dieses Material leider weitaus weniger widerstandsfähig und zerfiel viel eher als Tierhäute, was zur Folge hatte, dass von den Papyri keine vollständigen Texte, sondern weithingehend nur Fragmente erhalten geblieben sind. Diese wurden dann später auf Pergament kopiert, was wieder viel dauerhafter war.
Woher kann man nun wissen, ob die frühen Papyri auch wortgetreu kopiert worden sind? Diese Fragen werden nicht so sehr von Theologen, sondern von Wissenschaftlern (Papyrologen) beantwortet, was allerdings nicht ausschliesst, dass eine Reihe dieser Wissenschaftler auch Theologen waren oder sind.
Mit einer Genauigkeit, die einem Detektiv Ehre machen würde, wurden und werden die vorhandenen Manuskripte zunächt einmal datiert. Moderne Technisierung der Forschungsmethoden ermögliche eine immer genauere Datierung. Es hat sich herausgestellt, dass viele der Manuskripte ursprünglich als viel jünger eingestuft wurden, als sie in Wirklichkeit waren
Nach der Datierung werden die Manuskripte sogenannten Generationen zugeordnet, wie bei einem Stammbaum. Und dann wird verglichen. Wenn nun die ganz alten Fragmente mit den jüngeren, und dann mit den wiederum davon kopierten Pergamenten übereinstimmen, können wir mit grosser Sicherheit davon ausgehen, dass die späteren Abschriften den Urtexten entsprechen.
Nun hatten sich allerdings doch, im Laufe der Jahrhunderte, in so manche Manuskripte Kopierfehler eingeschlichen. Es kam auch vor, dass Randbemerkungen von Schriftgelehrten versehentlich in den Text hineinkopiert wurden.
Um nun den Urtext ohne diese Zufügungen zu ermitteln, entwickelte sich die sogenannte Textkritik. Das ist die wissenschaftlich-philologische Arbeit an den vorhandenen Manuskripten. Fehler konnten anhand älterer ‘Generationen’ von Manuskripten festgestellt und korrigiert werden. Auch Vergleiche mit sehr frühen Übersetzungen, wie z.B. ins Syrische und Latein, gaben weitere Hinweise, sodass wir heute davon ausgehen können, dass die Bibel in unseren Händen eine akkurate Wiedergabe der Urtexte darstellt.
Im dritten Jahrhundert änderte sich das Format der Schriften. Anstatt der Schriftrollen wurden nun Bücher mit Seiten gefertigt, wie wir sie kennen. Sie werden Codices (sing. Codex) genannt. Die bekanntesten davon, weitgehend komplette Bibeln, sind der Codex Vaticanus (griechisch, 4. Jahrhundert), der Codex Sinaiticus (etwa AD 350), der Codex Alexandrinus (4.Jahrhundert, jeweils nach dem Fundort benannt) und die Vulgata (lateinisch AD 384).
In den letzten 150 Jahren sind eine Anzahl z.T. sehr alter Manuskripte gefunden worden, einzelne Fragmente des Neuen Testamentes darunter aus dem ersten Jahrhundert! Eines wurde nicht viel mehr als 30 Jahre nach der Kreuzigung Jesu geschrieben. Insgesamt gibt es in Museen und Archiven in einer Anzahl von Ländern über 5000 Handschriften, weitaus mehr, als von irgendeinem anderen Dokument vergleichbaren Alters.
Ein Vergleich mag hier hilfreich sein. Das Buch ‘De bello Gallico’ wurde von Julius Caesar etwa zur gleichen Zeit geschrieben wie das Neue Testament. Wer in der Schule Latein gelernt hat, wird sich gut daran erinnern, dieses Buch studiert zu haben. Von diesem Werk haben nur sechs alte Handschriften überlebt. Die älteste davon wurde 600 Jahre nach der Urschrift kopiert. Und trotzdem wird niemand die Geschichtlichkeit dieses Dokuments infrage stellen.
Durch Gutenbergs Erfindung der Druckerpresse konnte im Jahre 1516 das erste Neue Testament und 1534 die erste Bibel gedruckt werden. Bis dahin, also in einem Zeitraum von bis zu 2900 Jahren (im Falle der 5 Bücher Mose), wurde die Bibel handschriftlich kopiert und war somit, wegen der Rarität, für viele Menschen nicht zugänglich.
In der römischen Kirche wurde einheitlich Latein als Kirchensprache benutzt, doch gab es auch bald Übersetzungen der Bibel, wie z. B. ins Gotische. Jetzt ist die Bibel in alle grossen Sprachen übersetzt und an Übersetzungen in zahlreiche Sprachen kleinerer Gruppen wird gearbeitet.
Datierung biblischer Bücher
Mit zunehmendem Alter gewinnen Manuskripte an Autorität, da sie den Urschriften zeitlich näher liegen als jüngere Schriften. Dieser Umstand hatte zur Folge, dass Gelehrte, die nicht von einer Inspiration der Schrift ausgingen, alle Dokumente als so jung, wie möglich einstuften. Dadurch sollte offensichtlich die Glaubwürdigkeit des Textes infrage gestellt werden. Bibelgläubige Forscher dagegen, neigten eher dazu, das Gegenteil festzustellen.
Jetzt sind die Datierungsmethoden wissenschaftlich sehr viel zuverlässiger, als vor fünfzig oder hundert Jahren. Das macht es sehr viel schwerer, eine Datierung willkürlich um ein oder gar mehrere hundert Jahre zu verschieben.
Noch vor relativ kurzer Zeit meinte man, dass zur Zeit Mose die Scheibkunst noch unbekannt gewesen sei. Esra, der etwa 900 Jahre nach ihm lebte, wurde als der Autor der Bücher Mose angesehen.. Diese Behauptung, war so willkürlich, wie sie absurd ist. Jetzt weiss man, dass die Schreibkunst schon zur Zeit Abrahams und davor bekannt war.
Koranische Manuskripte
Die Entstehung des Korans ist völlig anderer Art. Nach islamischer Überlieferung wurden die Texte Muhammad über eine Zeitspanne von 23 Jahren verbal inspiriert. Er zitierte diese Texte vor seinen Gefährten, die sie auswendig lernten, wie der Name Koran (von kara’a = aufsagen) ja schon andeutet.
Es gab bis zum Tode Muhammads keine Sammlung der einzelnen Teile des Koran. Wir wissen von einem Bericht, dass Koranteile auf “Palmblättern, weissen, flachen Steinen, und Schulterblattknochen von Kamelen” niedergeschrieben worden waren. In dem selben Bericht lesen wir auch über die erste Sammlung des Koran. Der Grund für diese Sammlung der einzelnen Teile des Koran, war der Tod etlicher qurra (Männer, die den Koran auswendig kannten) (al-Bukhari, Band 6, Kapitel LXI [3] 509, Seite 477 der engl Ausgabe). Muhammads Nachfolger Abu Bakr ordnete diese an, weil er fürchtete, dass nach dem Tode der restlichen qurra der Koran verloren gehen könnte (ibid). Wir müssen davon ausgehen, dass diese von Saïd ibn Thabit vorgenommene Zusammenstellung, die erste schriftliche Fixierung des Koran gewesen ist.
Islamische Quellen berichten aber auch von parallelen Sammlungen enger Gefährten Muhammads, die ebenfalls niedergeschrieben wurden, jedoch unterschiedlich waren. Das führte unter dem dritten Kalifen (Nachfolger Muhammads) Usman zu Zwistigkeiten und resultierte darin, dass er eine Revision des Koran vornehmen liess, und alle vorhergehenden Aufzeichnungen, inklusive des Urkoran, zu verbrennen anordnete (Mischkat-ul-Masabih, Band 3, Seite 708 der engl Ausgabe).
Usman liess dann etliche Kopien des revidierten Textes anfertigen, die dann nach Medina, Kufa, Basra und Damaskus gesandt wurden, um die verbrannten Exemplare zu ersetzen. Offensichtlich hatten sich auch in die Abschriften des revidierten Textes Fehler eingeschlichen, die von den Experten dieser Zeit genau so debattiert wurden wie die verbrannten Texte. Es gibt darüber ausführliche zeitgenössische Berichte, die das belegen.
Die Exemplare, die heute in Istanbul und Samarkand aufbewahrt sind, werden von vielen als zwei der fünf erwähnten Originalabschriften des usmanischen Textes angesehen und dienen bis heute als Grundlage zweier nicht ganz übereinstimmenden Koranversionen (warsch und hafs Texte) (’Christen fragen Muslime’).
Wie auf der biblischen Seite, gibt es auch vom Koran, der allerdings sehr viel jünger ist, keinen erhaltenen Urtext. Es wird behauptet, dass ein antikes Exemplar, das im Topkapi Palast in Istanbul ausgestellt ist und ein anderes in Samarkand, zwei der usmanischen Kopien sind, doch das ist mehr als unwahrscheinlich. 1999 fand man etliche sehr alte Korankopien in Sa’na, Jemen, doch diese müssen noch ausgewertet werden. Bekannt ist allerdings schon, dass auch diese eine Menge Unterschiede zu der heutigen Fassung haben. Wie auch die biblischen Manuskripte, so enthalten die des Koran sehr viele, man spricht von Tausenden, unterschiedliche Lesungen im Arabischen.
Was ist ein Kanon?
Bei diesem Wort liegt der selbe Wortstamm vor wie bei Kanone. Es ist abgeleitet von dem hebräischen Wort ‘qaneh’ und bedeutet ein Rohr, wohl ein Schilfrohr. Dieses wurde früher als Längenmass verwendet und stellte soviel wie einen Standard dar, mit dem man Dinge mass. Heute wird das Wort für Bücher benutzt, die als göttlich offenbart anerkannt worden sind.
Wie und durch wen geschieht so eine Anerkennung? Das ist wiederum unterschiedlich im Blick auf Koran Bibel.
Der Kanon der Bibel
Christen bezeichnen die Bibel und Muslime den Koran als Gottes Wort. Jesus Christus sprach schon davon, als er sagte: “Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Munde Gottes geht” (Matth. 4:4) und bezog sich da auf eine Aussage aus dem 5. Mose 8:3, d.h. auf das Alte Testament. Ohne Frage wurden die Bücher Mose von Anbeginn als Wort Gottes angenommen. Wenn dann weitere Bücher dazu kamen und als autoritativ akzeptiert wurden, gesellte man diese der Torah, den Büchern Mose zu, bis nach den Propheten die Offenbarungen zunächst aufhörten. Mit den neutestamentlichen Büchern ging es ähnlich. “Ein Buch hat zuerst göttlich Autorität, die sich auf die göttliche Inspiration stützt und erlangt dann Kanonizität, wenn es allgemein als göttliche Offenbarung anerkannt wird. Kein Kirchenkonzil kann die Bibel zu einer Autorität machen, denn die Bücher der Bibel besassen Autorität lange bevor es Kirchenkonzile gab.” (‘Die Bibel – Entstehung und Überlieferung’, Neil R. Lightfoot, Verlag Lebendiges Wort’, Augsburg 1967).
Im jüdischen Alten Testament finden wir 22 Bücher. Die ‘12 kleinen Propheten’ waren allerdings als ein Buch gezählt, und die (in den modernen Ausgaben) zweigeteilten Bücher Samuel, Könige und Chronik, sind dort als je eins erfasst. Die Bücher Richter und Ruth, Esra und Nehemia, sowie Jeremia und seine Klagelieder sind in unseren Bibeln einzeln aufgeführt, aber in der jüdischen Fassung erscheinen sie als drei, und nicht sechs, Bücher. Somit sind die 39 Bücher des Alten Testamentes deckungsgleich mit den 22 der jüdischen Fassung. Die Christen haben also das Alte Testament so übernommen, wie es die Juden akzeptiert hatten.
Die (27) Bücher des Neuen Testamentes gliedern sich bekanntlich in die 4 Evangelienberichte, die geschichtliche Apostelgeschichte und 21 Epistel, also Briefe der Apostel. Diese können wir, zumindest anteilig, als die Erfüllung der Worte Jesu ansehen, mit denen er sagte: “Ich habe euch noch viel zu sagen, aber ihr koennt es jetzt nicht ertragen. Wenn aber der Geist der Wahrheit kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten” (Joh. 16:12-13). Das tat er offensichtlich indem er diese ‘Briefe’ inspirierte.
Natürlich dauerte es eine gewisse Zeit, bis alle Teile des Neuen Testaments allen Gemeinden, die sich rapide bildeten und doch breit verstreut waren, bekannt wurden und auch schriftlich vorlagen. Wir wissen, dass schon etwa um 140-150 n. Chr. in den Gemeinden die neutestamentlichen Schriften generell in den Gottesdiensten neben dem Alten Testament gelesen wurden (Justinus der Märtyrer), und zwar die vier Evangelien, die Apostelgeschichte, die 13 Briefe des Paulus sowie ‘andere apostolische Briefe’ (Valentinus, wie zitiert von Tertullian). Anfangs war zwar noch Unklarheit über die Autorität einiger Bücher, deren Quelle hier oder dort infrage gestellt wurde (Hebräer, Jakobusbrief, Petrusbriefe, Johannesbriefe und Judasbrief), doch schon Origines von Alexandrien (185-251), sicher einer der einflussreichsten Lehrer der frühen Christenheit, zählte alle neutestamentlichen Bücher auf, die auch allgemein anerkannt und somit kanonisiert wurden. In allen zeitgenössischen Kirchen, in Rom, im Nahen Osten und Nordafrika, bestand ein Konsens darüber, welche Bücher in den Kanon aufgenommen werden sollten. Wir Christen sagen, dass dies unter der Leitung des Geistes Gottes geschehen ist. Muslime würden dies sicher als ‘ijma’ einordnen, was den Konsensus der ‘Gelehrten’ darstellt.
Der Kanon des Koran
Im Unterschied zur Bibel, die über anderthalb Jahrtausende entstand und von etwa 40 Leuten niedergeschrieben wurde, entstand der Koran innerhalb von 23 Jahren. Es gibt auch nur einen einzigen Zeugen, der die Texte Stück für Stück, wie er sie laut islamischer Tradition vom Engel Gabriel empfing, an seine Gefährten zum Auswendiglernen weiter vermittelte, und das war Muhammad, der Prophet des Islam.
Die Texte, die er empfangen hatte, wurden erst einmal von ihm selbst und später auch von seinen Gefährten als göttlich inspiriert angesehen. Diese Annahme wurde dadurch bestärkt, dass Muhammad beim Erhalt einer Botschaft mediale Symptome zeigte. Sein Körper wurde sehr schwer, er brüllte wie ein junges Kamel, hatte glasige Augen, wie jemand in Trance, hörte Stimmen und Geräusche und hatte manchmal Schaum vor dem Mund. Er wurde dann auch von heftigsten Kopfschmerzen geplagt.
Der Islam ging immer davon aus, dass der Koran kanonisch ist.
Textkritik und Inhaltskritik
Wir haben schon kurz erörtert, was Textkritik darstellt. Sie wacht darüber, dass der offenbarte Text so unverfälscht und form- und inhaltsgetreu wie möglich sichergestellt und bewahrt bleibt.
Inhaltskritik, auch Sachkritik genannt, ist eine liberale, moderne – oder besser modernistische – Methode. Sie beurteilt einen Text nach anderen Kriterien, nämlich, ob eine geschilderte Begebenheit darin wohl glaubhaft sei. Dass Jesus beispielsweise von einer Jungfrau geboren wurde, auf dem See lief, Kranke heilte, Tote auferweckte und selbst aus den Toten auferstand, wird als Legende abgelehnt und als unglaubwürdig erklärt, weil göttliche Intervention nicht als eine Möglichkeit in Betracht gezogen wird.
Obwohl Muslime sich bisher weitgehend gegen eine Textkritik am Koran und den Hadithen gesperrt haben, machen sie doch gerne Gebrauch von bibelkritischen Aussagen liberaler ‘christlicher’ Theologen. Somit kam ihnen die moderne Bibelkritik zu Hilfe, um dadurch die Glaubwürdigkeit des Koran herauszustellen.
Bibelkritische (nicht textkritische!) Argumente, die aus diesem Lager kommen, sind somit eine willkommene, wenn auch fragwürdige ’Bereicherung’ für die muslimische Polemik, dass die Bibel korrupt sei: “Seht, es sind nicht wir, die das behaupten! Nein, eure eigenen Theologieprofessoren sagen….”, und dann kommen die unglaublichsten Aussagen, wie das Argument, dass das Alte Testament mindestens 100.000 Fehler enthalte u.v.m.
Dann schrieb jemand, dass der ‘kluge’ (amerikanische) Professor (Dr. Arnold Meyer in seinem Buch ’Jesus or Paul?’) seine erstaunten Leser wissen lässt, dass Jesus und seine Jünger nichts von der biblischen Versöhnungslehre wissen konnten, da (nach Meanders ‘History of the Christian Religion and the Church) diese erst im 12. Jahrhundert formuliert worden sei. Man findetdiesen Begriff weder in der Thora, noch im Talmud, wird da postuliert. (alle diese Argumente sind dem Buch ’The Bible, Word od God or Word of Man?’von A.S.K. Joommal entnommen).
Man fragt sich unwillkürlich, ob diese ‘Theologen’ die Bibel wenigstens einmal durchgelesen haben. Dann hätten sie nämlich wissen müssen, dass allein im 3. Mose 16 der Begriff ’Versöhnung’ 20 mal vorkommt!
Liberale ’Theologen’ machen die erstaunlichsten Aussagen über die Bibel und stellen einen grossen Teil der Bibel völlig infrage mit der Begründung, dass solche Dinge nun einmal nicht möglich sind. Leider geschieht das weitgehend, indem die älteste Frage gestellt wird: “Sollte Gott gesagt haben?” Sie wurde erstmals von der Schlange im Garten Eden dem Adam gestellt und seither millionenfach wiederholt.
Solche Aussagen liefern nun Muslimen die von ihnen gesuchten Argumente gegen die Bibel.
Gott sagt dazu: ”Was können sie Weises lehren, wenn sie des HERRn Wort verwerfen?” (Jer. 8:9).
Wer ist Christ!
Da das Wort ‘Christ’ in diesen Kapiteln sehr häufig vorkommt, muss auch dieser Begriff im Licht der Bibel definiert werden. Nicht jeder, der getauft und konfirmiert worden ist oder gar Theologie studiert (hat), ist dadurch ein Christ. Die Bibel setzt da andere Kriterien:
“Wer gläubig geworden ist und getauft ist, wird gerettet werden; wer aber ungläubig geblieben ist, wird verurteilt werden.” (Mk 16:16).
“Was nennt ihr mich aber Herr, Herr, und tut doch nicht, was ich euch sage?“ (Lk 6:46).
Ohne diesen existenziellen Glauben an Jesus Christus kann niemand wirklich Christ sein. Die landläufige Aussage, dass ich heute ein guter Christ war, weil ich etwas Gutes getan und recht gehandelt habe, ist schlichtweg falsch.
Es dreht sich hier nicht lediglich um einen Glauben an die Existenz eines Gottes. Die wird vorausgesetzt.
“Du glaubst, daß es nur einen Gott gibt? Du tust recht daran; aber das glauben auch die Teufel und schaudern dabei“ (Jak 2,19),
lesen wir in der Bibel.
Glauben im biblischen Sinne heisst, sich Gott anzuvertrauen und nach seinem Willen zu leben. Tägliches Studium der Bibel führt zur Erkenntnis über Gott, uns selbst und seinen Willen für uns und unser Leben. Eine bewusste Hinwendung zu Gott setzt den Willen voraus, ihm zu glauben und damit sein Gnadenangebot anzunehmen. Und das ist die Versöhnung mit ihm durch den Opfertod Jesu Christi.
Wie unser natürliches Leben nach der Befruchtung mit der Geburt beginnt, so ist geistliches Leben nicht möglich ohne die ‘Wiedergeburt’. Jesus drückte es so aus:
“Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen…und wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes eingehen“. (Joh 3:3 und 5).
Zu jeder Zeit gibt es, auch innerhalb der volkskirchlichen Gesellschaft, bewusst gläubige Christen, die Gott von Herzen lieben und deren Glaube sich am Wort Gottes, der Bibel, orientiert. Bis auf den heutigen Tag hat sich daran nichts geändert.