Praktische Überlegungen
Der Ausgangspunkt
In einer rabbinischen Geschichte wird uns erzählt, dass zwei jüdische Freunde sich nach langer Zeit wieder trafen. Nachdem sie einige Zeit miteinander geredet hatten, fragt der eine den andern: “Liebst du mich?”
“Natürlich!”, erwiderte der.
“Weißt du auch, was mich bedrückt?”, fragte der erste wieder.
“Wie kann ich das wissen?”, kam die Antwort.
“Wenn du das nicht weißt, dann liebst du mich auch nicht wirklich”, folgerte der erste traurig.
Diese Geschichte kann uns etwas Wichtiges sagen.
Einmal müssen wir immer wieder neu lernen, auf den anderen einzugehen. Unsere persönlichen Interessen, unsere politischen Ansichten, unsere Bequemlichkeit und auch unser persönlicher Stolz – “wir könnten uns ja blamieren oder in Gefahr begeben” - müssen zurückstehen. Unser Mit-Leid mit dem, der Jesus Christus (noch) nicht als Retter und Herrn kennt, muss immer wieder neu entfacht werden. Und das geschieht nie auf Abstand! Auch eine Gemeinde kann und darf sich nicht um sich selbst drehen.
Jesus sagte: “Wenn ihr mich liebt, so werdet ihr meine Gebote halten” (Joh 14,15). Sein neues Gebot ist Liebe. Wie können wir die Verlorenen lieben, ohne dass wir uns ausstrecken, um ihnen eine echte Möglichkeit anzubieten, mit Gott versöhnt zu werden? Das kann selbstverständlich Spott, Hohn und Ablehnung nach sich ziehen. Unser Ego wird nicht immer mit Samthandschuhen angepackt werden. Aber vielleicht sind wir bereit, mit Paulus zu sagen: “Ich bin freudigen Muts in Schwachheiten, bei Misshandlungen, in Notlagen, in Verfolgungen und Bedrängnissen, die ich um Christi willen erleide (2 Kor 12:10). Das ist wohl immer ein Aspekt der Nachfolge!
Wir sind die Haushalter Gottes
Haushalter sein heißt, Verwalter meines Lebens vor Gott zu sein (Luk. 12:42ff und 16:1ff). “Dafür halte uns jedermann: für Diener Christi und Haushalter (gr.: oikonomos!) über Gottes Geheimnisse (mysterion)”, lesen wir (1.Kor. 4:1). Das heißt offensichtlich nicht, dass man seinen Schatz in der Erde vergraben soll (Matth. 25:18,24-30), denn dieses ‘Mysterion’ ist Jesus, das Logos von Gott (Kol. 1:25-29)! “Nun fordert man nicht mehr von den Haushaltern, als dass sie für treu befunden werden.” (1.Kor. 4:2), endet der Text.
Ein rechter Haushalter wird nun auch bedenken, dass dieses ‘Mysterion’ gerecht verteilt wird. Und hier kommen die Muslime - weltweit und vor unserer Haustür – arg schlecht weg! Muslime haben kaum eine Chance Jesus wirklich kennen zu lernen. Wir sind uns alle bewusst, dass dies nicht Gottes Willen entsprechen kann.
Natürlich kann keiner von uns die ganze Welt erreichen und auch nicht alle Muslime in unserem Land, wahrscheinlich nicht einmal in unserem persönlichen Umfeld. Aber wir können mit ein oder zwei Muslimen Kontakt knüpfen oder ihnen zumindest etwas Geeignetes, für sie Relevantes und Zugängliches zu lesen schenken. Aber allein das setzt schon voraus, dass wir die Person wenigstens etwas kennen. Und das ist das Problem!
Es ist ein Dilemma, dass wir alle mit Arbeit überladen sind. Wir wären einfach überfordert, wenn wir noch mehr, noch etwas Neues, in unser Leben aufnehmen würden. Es ist ja so wahr: Christen sind auch Gehaltsempfänger, wie andere Menschen, d. h. sie müssen wöchentlich ihre 40 Stunden oder mehr für ihre Firma einsetzen. Dabei ist die Zeit für den Weg zur Arbeit nicht einmal mit eingerechnet. Ein Christ ist auch ein Familienglied mit all seinen Verpflichtungen, bzw. seiner Verantwortung. Kinder brauchen ihre Eltern und ein Ehepartner den anderen. Und keiner wird bestreiten, dass in unserer stressvollen Zeit auch Erholung und Erbauung nötig sind. Von diesem Aspekt her muss jeder Christ das rechte Maß finden, wie er seine Zeit in der Verantwortung vor Gott einteilt.
Die Antwort kann kaum in der Annahme von noch mehr Arbeit liegen, sondern vielmehr in einer neuen Bewertung und Einstufung unserer Prioritäten. Dies wird von Mensch zu Mensch verschieden sein und sicher stark mitbestimmt von den Gaben, die Gott dem einzelnen gegeben hat. Es kann zweifelsohne auch passieren, dass gewisse Gemeindeaktivitäten für manchen nicht mehr den höchsten Stellenwert auf der Prioritätenliste einnehmen dürfen. Jeder steht hier mit seiner Entscheidung vor Gott!
Ich bin zu schüchtern
Viele, wenn nicht die Mehrzahl aller Menschen, und wir Christen sind nicht ausgenommen, haben eine innere Barriere, eine natürliche Scheu, auf Fremde zu zu gehen. Wir sind introvertiert, und können nicht so tun, als seien wir alle Sanguiniker. Viele Christen mögen wertvolle Menschen mit allerlei Begabungen sein, aber sie schaffen es nicht, ihre Zurückhaltung zu überwinden. Ich selbst bin von Natur aus eher zurückgezogen und scheu und kann das nur allzu gut nachempfinden. Ich weiß aber auch, dass die meisten unter uns glücklicher werden, wenn sie die Mauer einmal durchbrochen haben und mit einem Fremden ins Gespräch kommen, um damit auch die Möglichkeit eines Zeugnisses zu finden. Das setzt allerdings einen Willensakt voraus. Jedes Mal, wenn wir das tun, fällt es uns etwas leichter. Warum wollen wir dann nicht auch den Muslim ansprechen, der vielleicht nur hundert Meter entfernt von uns wohnt oder nur zehn Meter neben uns arbeitet? Sicher geht es uns nah, dass er ohne Jesus auf ewig verloren ist. Um Jesu willen, sollten wir eine sich anbietende Gelegenheit nutzen. Der Muslim, den ich ansprechen kann, wird mit ziemlicher Sicherheit von niemand sonst erreicht werden. Vielleicht bin ich seine ihm von Gott zugedachte Gelegenheit, die Wahrheit zu hören.
Gaben für die Aufgabe
Braucht man eine Begabung, Gespräche (mit Muslimen) zu führen? Man könnte ebenso fragen, habe ich die Gabe, Violine zu spielen? Es ist schon fast modern geworden herauszufinden, welche Geistesgabe ich nun eigentlich habe. Leider muss man dann allzu oft feststellen, dass es dafür an sich keine Verwendung in unseren Gemeinden gibt, es sei denn man kann in der Sonntagsschule unterrichten oder singen oder sich um Finanzen kümmern. Dann wird man im Chor erwünscht oder hilft beim Einsammeln des Opfers. Das mag nun für manche Situation etwas überzogen dargestellt sein. Es entspricht sicher auch nicht unbedingt dem Modell, das Gott für seine Gemeinde vorgesehen hatte (1.Kor 12:4-10; 14:25; Röm. 12:4-8; Eph. 4:11-13).
Nun haben wir immer noch nicht herausgefunden, ob wir nun potenzielle Violinvirtuosen sind. Woher weiß man das? Zunächst könnte man erfragen, ob die betroffene Person Musik liebt. Dann kann man das Gehör prüfen, denn ohne eine vorzüglich Hörgabe wird niemand auf der Geige den rechten Ton finden können. Und nun bleibt noch festzustellen, ob auch eine höchst überdurchschnittliche Fingerfertigkeit vorliegt. Aber eigentlich kann man erst herausfinden, ob man wirklich begabt ist, wenn man Geigenunterricht nimmt und eine Portion Übung und Erfahrung gesammelt hat.
Das trifft übertragen auch auf die Geistesgaben zu. Wer von Gott begabt ist – und das ist nach der Schrift jeder Gläubige auf die eine oder andere Weise! – der wird ein Herz haben, für das, was er tut und dazu die nötige ‘Fingerfertigkeit’. Wenn wir uns eine bestimmte Gabe wünschen, um unsere Aufgabe besser ausführen zu können, rät uns die Bibel: “Wenn es jemand unter euch an Weisheit mangelt, so bitte er Gott … so wird er sie ihm geben“ (Jak. 1:5). Wir werden sogar aufgefordert: “Strebt nach den größeren Gaben!“ (1. Kor. 12:31). Nun muss eine Gabe, die wir empfangen auch entwickelt werden, um sie voll nutzbar zu machen. Wir brauchen nur an das Beispiel des Violinespielens zu denken. Mission unter Muslimen bedarf einer Vorbereitung in Form einer Lern- und Orientierungsmöglichkeit, wie auch praktischer Einübung. Missionen, die lokal unter Ausländern, besonders natürlich Muslimen, arbeiten, bieten sich dazu in erster Linie an (siehe Anhang). Es ist sicher immer am besten, ein Timotheus zu sein und von einer erfahrenen Person zu lernen. Und was für andere Optionen gibt es noch? Da wäre erst einmal ein zurüstendes Seminar, wenn das möglich ist. Doch bleibt der Gebrauch von Lehrbüchern wohl die naheliegendste Möglichkeit. Die Erfahrungswerte, die unsere Vorbereitung abrunden, kann man leider nicht aus Büchern lernen, und dafür ist Eigeninitiative gefragt.