An der Quelle
Gebet – unser persönliches Verhältnis zu Gott
Wenn bisher Gebet nicht prominenter erwähnt worden ist, heißt das nicht, dass ihm eine untergeordnete Rolle in der Verkündigung zukäme. Im Gegenteil! Wir gehen davon aus, dass wir uns unserer eigenen Unzulänglichkeit einerseits und der Allmacht Gottes andererseits, bewusst sind.
“Ohne mich könnt ihr nichts tun” (Joh 15,5) sagt unser Herr.
Diese Erkenntnis führt uns in die völlige Abhängigkeit von Gott. Wir wissen auch, dass in uns nichts Gutes wohnt (Röm 7,18). Ohne Gott sind wir unbrauchbar. Trotzdem adelt er uns, indem er uns als seine Mitarbeiter beruft. Wir sollen ihm helfen, sein Reich zu bauen! Um das recht tun zu können, sollten unsere Prioritäten stimmen. Darum sagt er uns sehr eindringlich: “Trachtet zuerst nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit ...”(Mt 6:33).
Angesichts dessen, werden wir immer bemüht sein, in wirklicher Abhängigkeit von Jesus Christus zu leben. Dies wirkt sich in unserer Intimbeziehung – der tiefsten inneren Beziehung zu Gott - im Gebet, aus.
Unser Herr Jesus hat Satan’s Macht gebrochen. Er “hat den Starken gefesselt” (Matth. 12:28-30). ‘In Jesus’ können wir im Gebet mithelfen, die noch vorhandenen Bollwerke des Feindes zu zerstören (2 Kor 10:5). ‘In Jesus’ binden wir die noch tätigen dämonischen Kräfte und lösen, was gebunden ist. (Mt 16:19 und 18:18).
Was das bedeutet, haben wir immer wieder persönlich erfahren können. Einmal beobachteten wir, wie eine Gruppe von Hindufrauen, eine nach der anderen, durch den Hindupriester in Trance versetzt wurden. Meine Frau und ich sprachen uns ab, für eine bestimmte junge Frau zu beten, damit sie nicht in den Zustand der Besessenheit fiele. Und sie war die einzige, die davor bewahrt blieb!
Viele Muslime haben okkulte Bindungen. Trancezustände sind auch unter ihnen durchaus keine Seltenheit. Hier sind wir gefordert.
“Wir lassen nicht ab, für euch zu beten und zu bitten, dass ihr erfüllt werdet mit der Erkenntnis seines Willens in aller geistlichen Weisheit und Einsicht… und wachst in der Erkenntnis Gottes…” (Kol. 1:9-10). Im Gebet bringen wir die Menschen vor Gott, mit denen wir im Gespräch sind, damit sie begreifen können, was wir ihnen aus dem Wort Gottes vortragen.
Hier stellt sich eine kontroverse Frage: Wie lange, wie oft, wie ausführlich sollten wir beten? Können wir überhaupt ‘genug’ beten? Uns sind sicher die Aussagen der Schrift und uns bekannter Gottesmänner bekannt, die uns unseren Mangel immer wieder vor Augen halten. Sind das realisierbare Erwartungen? Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir überlegen, was wir denn mit Gebet eigentlich meinen.
In einer ulkigen Geschichte wird die Frage gestellt, warum soundso mit einem Bandmaß zu Bett geht. Die Antwort darauf ist, dass er messen will, wie tief er schläft. Das lässt uns fragen, ob eine Stoppuhr wohl das rechte Messinstrument ist, um die ‘Qualität’ unseres Gebets festzustellen. Oder sind die Formulierungen unseres Gebets ein besserer Gradmesser? Wir wissen alle, dass diese nie das Kriterium sind oder sein dürfen.
‘Gebet’ ist zunächst einmal ein Wort, das wir mit Bedeutung und Sinn füllen müssen. Die Summe unserer geistlichen Tradition, unseres Verständnisses der Bibel, unseres Gottesbildes, unserer geistlichen Erfahrungen, unseres Temperaments, und nicht zuletzt des Umfeldes in dem wir leben, die Modelle, welche uns als Vorbild dienen, werden die Sinnfüllung dieses Begriffs weitgehend beeinflussen. Gebet bedarf keiner Vorschriften und festgesetzter Formen. Es mag das enthusiastische und das feierlich-stille Gebet sein; das, wobei man niederkniet, und das, wo man die Arme zu Gott erhebt.
Ich entsinne mich sehr deutlich an die Beschäftigung mit der Frage nach dem Wie, dem Was und Wo des Gebets als frisch Bekehrter. Mit Hilfe der Konkordanz kopierte ich alle Stellen aus der Bibel, die mit Gebet zu tun hatten, und das waren nicht wenige. Dann versuchte ich eine gewisse Ordnung in die komplexe Sammlung zu bringen und endete mit einer recht umfangreichen Studie. Wie, wo, wofür und wann gebetet wurde, erschien wie in einem Katalog. Nun konnte ich prüfen, ob man es auch ‘richtig’ tut.
Das liegt nun über 40 Jahre und Tausende von Erfahrungen und Austauschgelegenheiten zurück. Ich bin nun sehr viel bestimmter für mich, aber auch sehr viel toleranter Geschwistern gegenüber geworden, deren Verständnis von Gebet andere Schwerpunkte und Facetten oder Formen hat, weil Gott mit ihnen andere Wege gegangen ist und ihnen anders begegnet ist. Gott hat nun mal mit jedem seine (andere) Geschichte. Darum widerstrebt mir auch jede Gleichschaltungserwartung. Darf ich das versuchen zu illustrieren?
Eben zu dieser Zeit als Neubekehrter hatte sich ein älteres Ehepaar meiner Frau und meiner angenommen und mit uns eine Art Jüngerschulung durchgeführt. Ein wöchentliches Bibelstudium sollte uns das Fundament geben. Das war echt hilfreich und gut. Es ergab sich daraus jedoch, für mich ganz persönlich, ein Glaubensproblem. Es gab nach der Bibelstunde immer eine Tasse sehr starken englischen Tee, den ich überhaupt nicht mochte, mit Keksen, die ich schrecklich fand. Und dann kam der Tag, Sie ahnen es sicher schon, an dem unser Mentor, ein außergewöhnlich liebenswerter und demütiger Mann, mich bat, für den Tee und die Kekse zu danken! Was tun? Keinen Anstoß geben und das Dankgebet sprechen? Alle hatten die Augen geschlossen und das Haupt gesenkt... Ich bin heute noch dankbar, dass ich in dieser Situation den Mut hatte, mir selbst und Gott gegenüber nicht unehrlich zu sein. Das ging allerdings nicht ohne eine Erklärung meinerseits ab.
Wir haben sicher verstanden, wie leicht man in Bahnen gelenkt werden kann, die unserem ‘inneren Menschen’ schaden können.
Gebet ist wie das Atmen, das uns leben und arbeiten lässt. Wir atmen immer, auch wenn wir schlafen. Ähnlich ist es mit dem Gebet. Es wird ein Teil unseres Wesens. Wir leben allezeit vor Gottes Augen und in Verbindung mit ihm. Oft ist es auch, dass “wir nicht wissen, was wir beten sollen, wie sich’s gebührt”, einfach, weil wir Gottes spezifischen Plan und somit seine Antwort dafür (noch) nicht kennen. Aber auch da haben wir Trost: “Der Geist selbst vertritt uns… und der die Herzen erforscht, der weiß, worauf der Sinn des Geistes gerichtet ist” (Röm. 8:26-27).
Die Fürbitte
Ein Teil unseres Gebets ist natürlich auch das Gebet für andere. In den Episteln lesen wir immer wieder eingeschobene Gebete und auch die Aufforderung für einander zu beten. Paulus betete, wie er schrieb, “weil ich euch in meinem Herzen habe” (Phil. 1:7). “Und ich bete darum, dass eure Liebe immer noch reicher werde an Erkenntnis und aller Erfahrung, so dass ihr prüfen könnt, was das beste sei, damit ihr lauter und unanstößig seid auf den Tag Christi, erfüllt mit Frucht der Gerechtigkeit durch Jesus Christus zur Ehre und zum Lobe Gottes” (Phil. 1:9-11). “Wir lassen von dem Tag an, an dem wir’s gehört haben, nicht ab, für euch zu beten und zu bitten, dass ihr erfüllt werdet mit der Erkenntnis seines Willens in aller geistlichen Weisheit und Feingefühl, dass ihr des HERRn würdig lebt, ihm in allen Stücken gefallt und Frucht bringt in jedem guten Werk und wachst in der Erkenntnis Gottes und gestärkt werdet mit aller Kraft durch seine herrliche Macht…” (Kol. 1:9-11).
Wie dünn sind unsere Gebete doch so oft. Diese biblischen Gebete gehen über Bewahrung, Gesundheit und Wohlergehen weit hinaus und lehren uns, Großes von Gott zu erwarten, aber auch geduldig und treu in der Fürbitte zu bleiben. Wir trafen gerade ein ganz liebes muslimisches Ehepaar, mit dem wir viele geistliche Gespräche geführt hatten, aber mit dem die Verbindung seit drei Jahren abgerissen war, rein ‘zufällig’ in unserem Einkaufszentrum, das etwa 25km von ihrer Wohnung entfernt ist. Nach der sehr herzlichen Begrüßung sagte ich ihnen ganz offen, dass wir sie in dieser Zeit treu im Gebet vor Gott gebracht haben, und dass wir dies auch gerade vor zwei Tagen getan hatten. Spontan sagten sie: “Gott hat geantwortet!” Nun, sie hatten sich (noch) nicht bekehrt, was schon unser Hauptanliegen ist, aber sie waren durch existenzielle Krisen gegangen und haben sie gerade überstanden. Wollen wir alle treu sein in unserer Fürbitte für die Menschen, die Gott uns in den Weg gestellt hat.
Unser Wissen über den Islam, das auch dieses Buch vermitteln will, und unser Verständnis Muslimen gegenüber, auch unsere gute Bibelkenntnis und unser Eifer, sind letztlich unzureichend. Ohne das Wirken Gottes, wird niemand zu ihm kommen wollen und können. Und darum wollen wir nicht aufhören, darum zu bitten, dass Gott die Herzen der Menschen, denen wir Zeugnis sind, erleuchtet. Gott hört uns!