Zu gut, um wahr zu sein!??
Kennen Sie den Mann? Kennen SIE den Mann? Eigentlich eine dumme Frage, denn fast jeder hat schon von ihm gehört. Die Meinungen über ihn sind allerdings arg unterschiedlich. Die ihn gut kennen, denken verständlicherweise anders über ihn als solche, die nur etwas über ihn gehört haben. Sie wissen ja, wie das so ist. Und dann ist man halt dagegen oder zumindest skeptisch.
Der Mann hatte zwar viele Freunde, doch die meisten waren alles andere, als bedeutend. Es waren ganz normale Bürger. Aber er hatte auch giftige Feinde, und diese wollten ihn immer wieder bloßstellen. Aus Neid. Rufmord sagt man wohl dazu. Und das Schlimme war, daß dies die „Frommen“ in seinem Umfeld waren. Eine Episode aus seinem Leben mag das deutlich machen.
Jeder weiß, daß Ehebruch Treuebruch ist. Dies wird (heute muß man wohl sagen wurde) von den meisten Menschen als ein Delikt angesehen. Ehepartner wurden zwar immer betrogen, doch wer es tat, der schämte sich dessen. In manchen Kulturen wurde solch ein Treuebruch sogar mit dem Tode bestraft.
Im Umfeld dieses Mannes wurde einst eine Frau beim Ehebruch ertappt. Eigentlich ist es ganz klar, daß man auch ihren Partner ertappt haben mußte, aber der ist wohl irgendwie davongekommen. Männer haben es da wohl leichter. Die festgesetzte Strafe war Tod durch Steinigung! Die Bürger empörten sich über diese Frau, besonders natürlich die religiösen.
Weil sie wußten, daß der Mann, zu dem sie die Frau nun schleppten, absolut gottesfürchtig, aber dabei auch überaus gütig war, wollten sie ihn reinlegen. Mit der ganzen schaulustigen Menschenmenge brachten die „Frommen“ sie zu dem Mann und fragten: „Diese Frau ist eben auf frischer Tat beim Ehebruch gefaßt worden. Unser Gesetz bestimmt, daß sie gesteinigt werden muß…Und was sagst du dazu???“
Der Mann hockte sich nieder, blickte zu Boden und begann Figuren in den Sand zu zeichnen. Als sie ihn aber zu einer Stellungnahme drängten, richtete er sich auf, blickte sie an, sodaß jeder der Anwesenden spürte gemeint zu sein. Dann sprach er, langsam und gewichtig: „Wer unter euch nie ein göttliches Gesetz gebrochen hat ist, der werfe den ersten Stein auf sie!“
Mit diesen Worten beugte er sich wieder nieder und zeichnete weiter.
Das löste eine tiefe Betroffenheit bei allen Zuschauern aus. Wer ist schon ohne Schuld?! Weil der Mann aber fast dezent wegblickte, um keinen offen zu beschämen, stahl sich einer nach dem anderen leise hinweg. Auch die „Frommen“. Zuletzt stand nur noch die Ehebrecherin vor dem Mann. Sie hatte die Chance nicht genutzt, sich heimlich mit abzusetzen.
Da blickte der Mann auf and fragte: „Wo sind sie geblieben, deine Ankläger? Hat dich niemand verurteilt?“ „Nein!“ antwortete sie. “Auch ich will dich nicht aburteilen“, sagte der Mann fast feierlich, „geh, aber von nun an lebe ein reines Leben!“
Ob sie das wohl beherzigt hat? Die Geschichte schweigt darüber und fordert uns heraus, unseren eigenen Gedanken darüber nachzugehen. Was hätten wir wohl empfunden, wenn wir in der Situation dieser Frau gesteckt hätten? Was für Konsequenzen hätten wir daraus gezogen? Wie wäre dann unsere Haltung diesem Mann gegenüber? Und war der wirklich echt gottbezogen in seinem Handeln? Und wo kämen wir alle hin, wenn unser Schöpfer mit uns nicht ähnlich verfahren würde?
Möchten Sie diesen Mann nicht auch kennen lernen? Vielleicht haben Sie schon erraten, von wem hier die Rede ist. Es ist Jesus Christus. Man hat ja schon allerhand von ihm gehört, und doch sind es nur relativ wenige Menschen, die ihn wirklich kennen. Leider auch unter denen, die offiziell der Religion angehören, die seinen Namen trägt und trotzdem so leben, als gäbe es ihn nicht. Die meisten Juden meinen er war ein Verführer, so mancher Hindu denkt, daß ihre Gottheit Krischna eine Inkarnation von Christus war. Muslime achten ihn als einen eminenten Boten Gottes – doch kennen seine Botschaft auch sie nicht, denn diese ist nur in dem Evangelium festgehalten worden.
Wenn wir uns mal eigene Gedanken machen über die Welt um uns herum, woher wohl alles kommen mag, was dessen Ursprung war und was der Sinn dahinter ist, werden wir uns schwerlich mit der These eines ‚Urknalls’, des ‚big bang’, und danach einer Entwicklung à la Evolutionstheorie zufrieden geben können oder wollen. Und wer fragt, warum wir wohl hier sind, ob wir ein Gedanke, eine Schöpfung Gottes sind, und ob wir als Konsequenz dessen auch eine Verantwortung für unser Leben tragen, der wird sich bange Fragen stellen, die eben nun mal auftauchen, wenn wir dem Phänomen Lebenssinn und Tod irgendwann begegnen.
Was kann man denn überhaupt über oder gar von Gott wissen? Eine intelligente Beobachtung unserer Welt führt zwangsläufig zu dem Schluß, daß ihre Existenz nicht ohne die höchste Stufe von Intelligenz, Wissen und Macht erklärbar ist. Das ist besonders sichtbar bei den hochorganisierten Bausteinen des Lebens, den Genen. Ihre Existenz kann man schwerlich unpersönlichen Naturkräften oder gar dem Zufall zuordnen. Sie weisen unmißverständlich hin auf ein Wirken Gottes. Wer nun mehr über Gott wissen will, ist angewiesen auf das, was er selbst von sich und über sich offenbart hat, denn er spricht zu uns aus einer anderen Dimension.
Vor diesem Hintergrund wollen wir einmal hinhören auf das, was ‚der Mann’, sagte. Er lehrte weder tiefgründige Theologie noch erstieg er sich in tiefen philosophischen Gedanken. Er lebte unter und sprach zu einfachen Leuten, Hausfrauen und Müttern, Bauern, Handwerkern und Fischern. Alle sollten verstehen, worum es geht. Ein paar der Aussagen, die er uns hinterließ, sagen viel über ihn aus. Alles, was jetzt fettgedruckt ist, sind seine Gedanken und Aussagen, die uns überliefert sind. Der Rest sind verbindende Worte mit knappen Erläuterungen zu einem besseren Verständnis der Texte in ihrem damaligen Umfeld.
Befragt über die Gebote, den Willen Gottes für uns, sagte er:
»Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. Das ist das wichtigste und erste Gebot.
Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz samt den Propheten.«
Matth. 22,37
Der Mann sagt uns, und das stimmt ja wirklich, daß eine Übertretung göttlicher Anweisungen immer im ‚Kopf’ beginnt und Sünde und Schuld eben da beginnen. Erst danach kommt es zur tätlichen Ausführung:
»Wer die Frau eines anderen begehrlich ansieht, hat in seinem Herzen schon die Ehe mit ihr gebrochen.«
Matth. 5,27-28
Gott hat immer eine Beziehung zu ‚Reinheit’. Darum findet man auch in allen Religionen Rituale, die praktiziert werden, weil man sich eines Mangels an Reinheit durchaus bewußt ist, und das irgendwie ändern möchte. Der Mann drückt das auch deutlich aus:
»Freuen dürfen sich alle, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott schauen.«
Matth. 5,8
Es wird uns hier unmissverständlich klar gemacht, daß es nicht um saubere Hände, sondern um ein reines Herz geht. Wasser und Seife sind dafür nicht geeignet.
Über den Ursprung des Schmutzes im menschlichen Herzen gibt uns der Mann auch klare Auskunft:
»Nichts, was der Mensch von außen in sich aufnimmt, kann ihn unrein* machen. Nur das, was aus ihm herauskommt, macht ihn unrein…
Begreift ihr das nicht? Alles, was der Mensch von außen in sich aufnimmt, kann ihn nicht unrein machen, weil es nicht in sein Herz, sondern nur in den Magen gelangt und dann vom Körper wieder ausgeschieden wird.
Aber das, was aus dem Menschen selbst herauskommt, das macht in unrein! Denn aus ihm selbst, aus seinem Herzen, kommen die bösen Gedanken, und mit ihnen Unzucht, Diebstahl und Mord; Ehebruch, Habsucht und Niedertracht; Betrug, Ausschweifung und Neid; Verleumdung, Überheblichkeit und Unvernunft.
All das kommt aus dem Inneren des Menschen und das macht ihn unrein.«
Markus 7,14-15, 18-23
Aber wer hat denn schon ein reines Herz? Alle die Leute, die zur Steinigung der Ehebrecherin gekommen waren, hatten ja durch ihr Weggehen bekundet, daß es ihnen gerade daran mangelt. Wer kennt nicht die ‚finsteren’ Gedanken, die auch wir zuweilen in unseren Herzen bewegen?
Gott haßt zwar die Sünde, doch liebt er uns Menschen - auch wenn wir in Sünde gefallen sind. Gott liebt nicht nur die Guten! Er liebt und erbarmt sich auch der ‚Kranken’, der Gefallenen und Schwachen. Das lehrte Jesus auch anhand einer Geschichte:
»Zwei Männer gingen hinauf in den Tempel, um zu beten, ein Pharisäer (besonders ‚frommer’ Mann) und ein Zolleinnehmer (ein besonders verachteter Typ).
Der Pharisäer stellte sich vorne hin und betete leise bei sich: 'Gott, ich danke dir, daß ich nicht so bin wie die anderen Menschen, alle diese Räuber, Betrüger und Ehebrecher, oder auch wie dieser Zolleinnehmer hier!
Ich faste zwei Tage in der Woche und gebe dir den vorgeschriebenen Zehnten (Teil des Einkommens) sogar noch von dem, was ich bei anderen einkaufe!'
Der Zolleinnehmer aber stand ganz hinten und getraute sich nicht einmal, zum Himmel aufzublicken. Er schlug sich zerknirscht an die Brust und sagte: 'Gott, hab Erbarmen mit mir, ich bin ein sündiger Mensch!'«
Jesus schloß: »Ich sage euch, der Zolleinnehmer ging aus dem Tempel in sein Haus hinunter als einer, den Gott für gerecht* erklärt hatte - ganz im Unterschied zu dem Pharisäer. Denn wenn ihr euch selbst groß macht, wird Gott euch demütigen. Und wenn ihr euch selbst geringachtet, wird Gott euch zu Ehren bringen.«
Lukas 18,10-14
Ist das nicht ungeheuerlich? Da sträuben sich einem fast die Haare, denn dieses Urteil widerspricht unserem Gerechtigkeitssinn ganz und gar. Aber, wo wären wir, wenn Gott uns gegenüber wirklich gerecht – und nicht gnädig – wäre?
Diese Geschichte enthält eine (fast) unglaubliche Botschaft. Der Allerheiligste, der Allmächtige, der Schöpfer des Universums ist bereit uns wieder anzunehmen, auch wenn wir eigene Wege gegangen sind! Ob wir das wohl verdient haben? Der Pharisäer meinte ‚ja’. Der Zöllner ‚nein’. Und ich?
Wer ‚ja’ sagt, verkennt sowohl sich selbst als auch Gott.
Das ist das große Geheimnis, daß das Herz Gottes, obwohl wir allzu oft in Gedanken, Wort und Tat seinen Willen übergangen und dem Selbstinteresse gedient haben, uns trotzdem und immer noch liebt. Eben wie ein guter Vater. Er will, daß unsere Schuld, die sich als Trennwand zwischen uns und ihm aufgebaut hat, „ins tiefe Meer geworfen wird“, und von uns entfernt wird, „so weit der Westen von dem Osten entfernt ist“. Diese graphischen Bilder stammen von den alten Propheten. Im juristischen und theologischen Jargon heißt das ‚Begnadigung’. Die muß man wollen und die muß man erbitten. Man hat kein Anrecht auf Begnadigung. Wenn sie gewährt wird, geschieht das aus Erbarmen, nicht auf Grund von Verdienst. Keiner von uns kann ohne diese Begnadigung vor Gott bestehen. Aber Gott bietet sie uns an!
Gott ist eben anders, als wir. Wenn wir gute Werke tun, sind wir geneigt, uns das als Verdienst vor Gott anzukreiden, vergessen dabei aber, daß diese Werke von Gott als unsere selbstverständliche Pflicht vorgegeben sind. Jesus sagte das sehr deutlich:
»Wenn ihr alles getan habt, was Gott euch befohlen hat, dann sagt: 'Wir sind Diener, weiter nichts; wir haben nur getan, was uns aufgetragen war.'«
Lukas 17,10
Es klingt fast wie ein Befehl, wenn er uns ermahnt:
»Geht durch das enge Tor! Denn das Tor zum Verderben ist breit und ebenso die Straße, die dorthin führt. Viele sind auf ihr unterwegs.
Aber das Tor, das zum Leben führt, ist eng und der Weg dorthin schmal. Nur wenige finden ihn.«
Matth. 7,13-14
Denken wir noch einmal zurück an die Geschichte von der Frau, die beim Ehebruch gefaßt wurde und die Steinigung zu erwarten hatte. Jesus sagte ihr: „Auch ich will dich nicht aburteilen. Nun geh, aber von nun an lebe ein reines Leben!“ Die offene Frage war, ob sie das dann auch getan hat. Konnte sie das überhaupt? Und das wirft für uns zwei Fragen auf, die wir uns ehrlich beantworten sollten: „Was hätten wir empfunden, wenn wir in der Situation dieser Frau gesteckt hätten?“ und „Was für Konsequenzen hätten wir daraus gezogen?“
Zusammengestellt und kommentiert von Gerhard Nehls