Christliches Leben: Gemeinschaftliche und individuelle Verantwortlichkeit
In unseren Tagen gibt es eine Neigung, das christliche Leben überzubetonen, ohne daß man uns wirklich sagt, was dieser Ausdruck bedeutet. Manchmal bekommt man den Eindruck, daß sich die Leute eine Art moralische Richtschnur vorstellen, wie bei den Pfadfindern, wo man gute Taten tut, dazu lächelt und auch seinen Kopf hochhält, wenn es schwierig ist. Das sind zweifellos Qualitäten, aber ein christliches Leben zu führen ist nicht so einfach wie dies.
Das christliche Leben ist schwierig zu verstehen und zu praktizieren, vor allen Dingen, weil wir in zwei Zeiten gleichzeitig leben. Wir leben in der Zeit, die man auch die natürliche Ordnung der Dinge nennen kann. Wir leben aber auch in der Zeit der Erwartung und der Hoffnung, wir warten auf die Zeit der Freiheit der Söhne Gottes. (Römer 8, 18-26). Wir haben Bürgerrecht auf der Erde, aber wir haben auch Bürgerrecht im Himmel.
Vielleicht haben sie islamische Theologie und Geschichte studiert und wissen all die Antworten, die man den muslimischen Vorwürfen gegen das Christentum geben kann; vielleicht können Sie Ihre Fingernägel bis an die Wurzeln verschleißen, indem Sie gute Taten für Muslime tun; wenn Sie nicht in diesen beiden Dimensionen gleichzeitig leben, führen Sie kein christliches Leben. Wir sollten niemals vergessen, daß die endgültige Antwort auf die Sünde, die Verderbnis und den Tod im Königreich Gottes in der kommenden Vollendung besteht und daß das Königreich Gottes niemals durch die Leistungen von Menschen vollendet wird.
Der Mensch gehört auch zur natürlichen Ordnung der Dinge. So lange er lebt, lebt er mit anderen Menschen in dieser natürlichen Ordnung. Und trotz Sünde, Verderbnis und Tod gehört diese natürliche Ordnung auch zu Gott. Gott hat die Welt ja nicht aufgegeben. Er hat sie dem Teufel nicht überlassen. Deshalb muß jeder Christ wach und bereit sein, die natürliche Ordnung so gut, sauber, fair und schön zu machen, wie es möglich ist innerhalb der Grenzen, die durch die Sünde und die Begrenztheit des Menschen gesetzt sind. Christen in der ganzen Welt helfen durch politisches Handeln, daß das Leben etwas lebenswerter wird. Aber all zu leicht ist der Christ in Gefahr, zwei große Fehler zu machen.
In seiner Begeisterung vergißt er, daß er und alle Mitmenschen begrenzt sind durch ihre Sünde und ihre Endlichkeit. Der Mensch fährt deswegen fort, einen Turm von Babel zu bauen, und glaubt, daß er diesmal wirklich den Himmel erreichen wird. Aber so spielt er den Kommunisten und Muslimen in die Hände, denn das ist gerade das, was sie versuchen. Die Muslime und die Kommunisten glauben nicht an eine erlöste Ordnung, sondern daß die natürliche Ordnung der Dinge einer Reform bedarf; das Resultat wird ein Himmel auf der Erde sein. Wir können einen Wettlauf der drei Gruppen beobachten: Jeder baut seinen eigenen Babelturm.
Der andere Fehler ist, daß der Christ zu seinen Anstrengungen immer die Unterstützung der Kirche verlangt. Er möchte offizielle oder halboffizielle Äußerungen von Kirchen, Missionsgesellschaften oder anderen Gruppen haben, möglichst amtlich, die ihm bestätigen, daß seine Methode der christliche Weg zu leben sei. In der natürlichen Ordnung muß aber jeder Christ seine eigene Verantwortung tragen, seine eigene Phantasie gebrauchen und das tun, was er für richtig hält.
Was ist denn im christlichen Leben gemeinsame Verantwortlichkeit, und was ist unsere persönliche Verantwortlichkeit?
Jetzt sprechen wir also über die Kirche. Zuerst wollen wir ein Bild vom Leben der Gemeinde im Neuen Testament gewinnen. Die Botschaft der Apostel war so, daß ihre Annahme eine Person in eine Lebensgemeinschaft mit anderen brachte, die dieselbe Botschaft angenommen hatte. Die Taufe bedeutete immer auch den Eintritt in eine reale Gruppe, die Gemeinschaft der Gläubigen. Wenn auch die Gläubigen in dieser Welt zu leben und zu leiden hatten, sie gehörten nicht mehr zu dieser Welt. Sie gehörten nicht mehr in die alte Zeit der Unwissenheit. Sie waren eine neue Schöpfung und gehörten in das neue Zeitalter, in das Zeitalter des Königreichs Gottes. Deshalb warteten sie auf die Vollendung, darauf, daß ein neuer Himmel und eine neue Erde kommen sollten.
In dieser Gemeinschaft der Heiligen gab es zwei besondere Lehren. Einmal: Die Beziehung zu Gott wurde vermittelt durch diese Gemeinschaft, und diese Gemeinschaft entstand nur durch die Beziehung zu Gott in Christus. Die Beziehungen wurden als eine lebendige Realität verstanden, die der Erfahrung aller christlichen Gläubigen offenstand und ihr entsprach. Deshalb wird im Neuen Testament am häufigsten das Bild vom Leib und dem Haupt für die Kirche verwendet. Ohne das Haupt ist der Leib kein Leib, und wenn ich nicht Glied des Leibes bin, ist das Haupt nicht mein Haupt. So wurde die Gemeinschaft der Heiligen zur Lebensgemeinschaft.
Zweitens: Obwohl sie in dieser Welt lebten und deshalb jeder einzelne als Bürger des Staates für sich verantwortlich war, so war doch in ihrer Gemeinschaft die Kraft des Königreich Gottes schon wirksam als ein Vorgeschmack, als eine Verheißung. Man kann das zum Beispiel ganz deutlich sehen an dem Glauben, daß all die notwendigen Tätigkeiten dieser Gemeinschaft der Heiligen nicht als natürliche Fähigkeiten galten, sondern als Gaben der Gnade, vermittelt durch den Heiligen Geist. So kam es schon gleich am Anfang zu dem Versuch, eine kommunistische Gesellschaft aufzubauen, in der alle Gemeindeglieder alle Güter gemeinsam besaßen. Weil nun dies erste kommunistische Lebensideal zerbrochen ist, meinen einige Leute, daß diese Lehre falsch war. Weil dieser kommunistische Lebensstil sich nicht bewährt hat, sei es klar, daß Gemeinsamkeit nicht notwendig zur Lebensgemeinschaft führt. Nichts könnte weiter entfernt von der Wahrheit sein. Was tatsächlich geschah, war eine neue Anpassung, die diese Lebensgemeinschaft realistischer und nüchterner machte und besser der Tatsache entsprach, daß die Gemeinschaft des Himmels sich wirklich noch in dieser Welt befand. Das gemeinschaftliche Leben hatte vier Funktionen: die Verkündigung, die Unterweisung, den Gottesdienst und die Diakonie.
In der Verkündigung wird das Wort Gottes laut. Nicht so, als wenn sie selber Gewalt hätten über das Wort Gottes, ob sie es sagen oder verschweigen wollen. In einer Atmosphäre der Hoffnung und der Erwartung proklamieren sie die Botschaft, die ein für alle Mal gegeben ist. Diese Gemeinschaft der Heiligen als Gruppe sucht den Kontakt mit der Welt nur an diesem einen Punkt, in der Verkündigung. Sucher sind durch die Verkündigung schon in eine vorläufige Beziehung zu dieser Lebensgemeinschaft gekommen. Die Gemeinde besaß gar keinen anderen Punkt des Kontaktes mit der Welt. Ich glaube, man kann geschichtlich keinen Widerspruch gegen diese Aussage erheben.
Die drei anderen Funktionen dieser Lebensgemeinschaft waren ihre Antwort auf Gottes Wort. Die Unterweisung war die Bemühung der Gemeinde, Kinder, Erwachsene und Suchende besser und gründlicher vorzubereiten, daß sie das Wort Gottes hören und verstehen. Der gottesdienstliche Bereich mit Anbetung, Lobpreis, Singen und Beten war dazu da, daß die Heiligen danksagen und anbeten konnten für das Wort Gottes. Die Diakonie, das heißt die überlegte und planmäßige Hilfeleistung in den praktischen Dingen des Lebens für die geringsten der Brüder Christi und deshalb auch gegenüber ihren eigenen Brüdern, war der konkrete Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes, das sie angenommen hatten.
Wir können noch ein bißchen tiefer in die Frage des Diakonats einsteigen, denn zu Konfusion kann es an dieser Stelle leicht kommen. Im griechischen Neuen Testament gibt es fünf Worte, die den Dienst oder den Diener bezeichnen. Eins wird nur einmal verwendet, ein anderes viermal, ein drittes nur, um eine bestimmte Art von untergeordneten Angestellten zu bezeichnen. Bleiben also zwei Worte als die wichtigsten: doulos, der Knecht, und diakonos, der Kellner.
Das Wort doulos wird am häufigsten gebraucht. Es kommt von einem Wort, das binden bedeutet. Ein doulos ist also jemand, der gebunden ist, ein unfreier Diener. Das Gegenstück ist das Wort kyrios, der Herr. Der Herr ist der Besitzer. Und wenn der ein menschliches Wesen besitzt, dann ist dies sein doulos, sein Sklave. Wenn Jesus zum Beispiel in seinen Gleichnissen von Herr und Knecht spricht, dann redet er vom doulos.
Ganz abgesehen davon, was der Knecht irgendwann tut, er ist immer gebunden an den einen, der ihn besitzt. Wenn deshalb die Jünger sich selbst als Sklaven Jesu Christi oder als Diener Gottes bezeichnen, dann sollen diese Worte ihre besondere Beziehung zu Gott ausdrücken, nicht die Dienstleistungen, mit denen sie im Moment gerade beschäftigt sind.
Man kann die Frage stellen: Gibt es eine Verwendung dieses Wortes im Neuen Testament, die dieselbe Bedeutung trägt wie unser moderner Ausdruck: Christlicher Dienst? Als die Jünger miteinander stritten, wer von ihnen der Größte sein sollte, rief Jesus sie zu sich und sprach mit ihnen darüber. Bei Matthäus wird an dieser Stelle das Wort Sklave verwendet: "Wer der Erste unter Euch sein will, der soll Euer Sklave sein". In den beiden anderen Evangelien wird das Wort Diener verwendet. Es lohnt sich, hier festzustellen, daß Jesus in allen drei Stellen seine Warnung beginnt, indem er Bedingungen aufzeigt, die außerhalb dieser Gruppe herrschen, um sie dahin zu bringen, daß sie an dem Kontrast erkennen, was innerhalb ihrer Gemeinschaft gelten sollte. Also ist Jesus darauf aus, die inneren Beziehungen des Jüngerkreises zu ordnen; er redet hier nicht von der Arbeit unter Nichtchristen.
In seinen verschiedenen Formen erscheint das Wort doulos ungefähr 166mal im Neuen Testament. Nur einmal wird es benutzt, um eine Beziehung eines Christen zu einem Nichtchristen zu beschreiben. Im 1 Kor 9 sagt Paulus, daß er, obwohl er ja frei ist, sich selbst zum Sklaven aller gemacht hat, um desto mehr Leute zu gewinnen. Wenn er diesen Satz dort beendet hätte, dann hätte doch sein ganzes Leben und seine Arbeit bewiesen, was diese Worte bedeuten. Aber er fährt nun fort und erklärt, worin dieser Dienst besteht, nämlich, daß er für die Juden wie ein Jude wurde, für solche ohne Gesetz wie einer, der ohne Gesetz ist, und für die Schwachen schwach. Er ist allen alles geworden, um einige zu erretten.
Paulus fühlt sich getrieben, sich mit den Lebensbedingungen anderer innerhalb der natürlichen Ordnung vertraut zu machen, so daß er wirklich in die Lage kommt, sie mit dem Evangelium zu erreichen. Anstatt eine Veränderung der natürlichen Ordnung zu versuchen, unterwirft er sich selber den Umständen, wie sie sind, um Menschen das Evangelium dorthin zu bringen, wo sie sind.
Kurz, das Wort doulos wird im Neuen Testament nirgends verwendet, um eine Verbindung zwischen dem Christen und dem Nichtchristen in irgendeiner Form der Wohltätigkeit oder des kulturellen Dienstleistungsbetriebes anzudeuten. Dann kommt das Wort diakonos, von dem auch der Ausdruck für den "Diakon" im kirchlichen Dienst abgeleitet ist. Als die Fürsorge in der ersten Gemeinde unordentlich geschah, sagten die Apostel, daß sie nicht ihre eigene Arbeit zurückstellen könnten, um bei Tisch zu dienen. Deshalb wurden einige Leute angestellt, diesen Dienst zu verrichten. Das Wort wird oft in diesem Sinne angewendet; es heißt Kellner oder Assistent.
Nun hat das Wort Diakon und auch das Wort Bischof in einigen Teilen der Kirche einen neuen Sinn bekommen. Aber der Grundgedanke, daß man einige Leute in der Gemeinde anstellt, die den Mitgliedern und deren Interessen dienen, hat seine Wurzel schon im Neuen Testament. Was uns hier interessiert, ist,'daß dieser Dienst ausschließlich innerhalb der christlichen Gemeinde stattfand.
Es ist unmöglich zu zeigen, daß die Apostel oder die ersten Christen es für ihre Verantwortung hielten, Diakone oder Helfer für die Heiden "draußen" anzustellen.
Es gibt dann auch eine Form dieses Wortes, die die Bereitschaft anzeigt, zu dienen. In Hebr 6 wird geschrieben, daß Gott nicht ungerecht ist und nicht vergißt, wie sie den Heiligen gedient haben. Dies Wort erscheint einige Male auch in den Briefen an die Korinther; immer betont es die Gegenseitigkeit. Eine Gemeinde ist bereit, einer anderen zu helfen, die diese Hilfe braucht.
Es gibt noch eine andere Weise, in der das Wort Diakon verwendet wird. Jesus sagt, daß er nicht gekommen ist, um Dienst zu empfangen, sondern um zu dienen und sein Leben als Lösegeld zu geben. Die Proklamation des Evangeliums und die Bezeugung der Wahrheit wird auch Dienst genannt. Paulus spricht zum Beispiel vom Dienst der Versöhnung.
Kurzum, es gibt reichlich Ermahnungen im Neuen Testament für organisierten Dienst der Gemeinde. Immer aber geschieht dieser Dienst innerhalb christlicher Gemeinschaft. Nur wenn man das Wort auf das Predigen des Evangeliums anwendet, werden Nicht-Christen erwähnt. Man kann an der Tatsache nicht vorbei, daß organisierter christlicher Dienst im Neuen Testament sich auf die Kirche richtet. Diese Feststellung schließt die christliche Lehre nicht aus, daß jeder Christ als Individuum seinen Beruf als Berufung von Gott betrachten und deshalb seine Alltagsarbeit ein Ausdruck seines christlichen Glaubens sein soll.
Es gibt Leute zu Hause und auf dem Missionsfeld, die behaupten, daß das Bild des Neuen Testaments uns an diesem Punkt heute nichts zu sagen hat, da wir in einer Welt leben, die von der des Neuen Testaments völlig verschieden sei. Deshalb müßten wir unsere heutigen Probleme auf unsere Weise lösen, genau wie die Leute damals ihre Probleme in ihrer Weise gelöst haben. Diese Leute sind, ob sie das nun beabsichtigen oder nicht, neue Propheten und neue Apostel: Sie gründen eine Art neue Kirche. Die Kirche, zu der wir gehören, weiß sich gebunden an das Zeugnis der Propheten und Apostel, die uns im Kanon der Heiligen Schrift begegnen.
Wenn die Botschaft verkündigt wird, dann zieht und ruft sie Menschen aus der alten Ordnung heraus. Jede echte Annahme dieser Botschaft stellt den Menschen in eine neue Gemeinde hinein, der er dann angehört. Dieser Wechsel wäre einfach, wenn der Eintritt in die neue Gemeinschaft mit einem Auszug aus der alten Gemeinschaft, aus der natürlichen Ordnung, zusammenfiele. Das ist allerdings nicht so, und daraus entsteht die Spannung. Die Existenz der Gemeinde, die man Kirche nennt, ist ein Zeugnis der Tatsache, daß, obwohl das Reich Gottes gekommen ist, es trotzdem noch im Kommen ist.
in dem Augenblick, wo ein Mensch zu der natürlichen Ordnung gehört und zugleich zur erlösten Ordnung der neuen Gemeinde, der Kirche, entsteht eine Spannung. Die amerikanische Art zu leben ist nicht länger für den Amerikaner der "christliche Weg des Lebens"; die soziale Demokratie freier europäischer Staaten ist nicht länger identisch mit dem Christentum für Europäer; der spirituelle Lebensstil des Inders wird nicht länger mit dem Christentum in Indien verwechselt. Während der Christ als verantwortliches Mitglied der natürlichen Ordnung alles tut, was er kann, um falsche Dinge zurecht zu bringen, so weiß er doch gleichzeitig, daß keine dieser menschlichen Bemühungen die endgültige Antwort darstellen kann. Er weiß das deshalb, weil die neue Gemeinschaft, die Kirche, zu der er gehört, ständig das Reich Gottes proklamiert als die endgültige und absolute Antwort. Seine Hoffnung richtet sich auf Gott; seine Erwartung geht auf einen neuen Himmel und auf eine neue Erde, in denen er keine Sünde und nichts Unreines mehr finden wird.
Nun schauen wir auf die Mission unter Muslimen. Erstens sehen wir eine Grundeinstellung und Atmosphäre der Leistung. In der Kirche preisen wir Gott für das, was er getan hat durch die Zeiten hindurch. Aber wir haben begonnen, vieles zu tun. Wir haben Christen, Muslime und Hindus angestellt, unsere Programme auszuführen, und nun gratulieren wir uns selber zu unseren Leistungen, als ob sie das Werk Gottes seien. Die Haltung der Hoffnung und Erwartung ist kaum noch da. Wenn die Hoffnung und die Erwartung des kommenden Königreichs aber nicht mehr da sind, dann ist das christliche Leben nicht länger echtes christliches Leben. Dann sieht der Muslim bei diesen Christen nur, was er bei sich selber und bei allen anderen auch sehen kann.
Zweitens geschieht der Kontakt mit der muslimischen Welt nicht primär durch die Verkündigung, sondern vorwiegend durch soziale Dienstleistungen. Deshalb sind die Missionen in viele unheilige Allianzen mit Regierungen, mit nichtchristlichen humanitären Organisationen und mit nichtchristlichen Spendern von Hilfe und Geld eingebunden.
Dann wird die Entwicklung von christlichen Führungspersönlichkeiten betont, obwohl das Neue Testament weiter nichts weiß von irgendeinem Führer außer dem Heiligen Geist, der Gnadengaben an alle einzelnen gibt, so daß sie gegen Gott ehrlicher Diener der Gemeinde sein konnten. Unser Herr sagt, daß die Welt erkennen werde, daß wir seine Nachfolger sind,'wenn wir einer den anderen lieben und einer dem anderen dienen. (Joh 15, 9, 14). Sie werden zugeben müssen, daß der Muslim diesen Bereich des christlichen Lebens nicht besonders deutlich sehen kann.
So ist es eine Art Infiltration geworden. Infiltration war einer der teuflischen Tricks, schon längst bevor die Japaner, die Nazis oder die Kommunisten ihn in Gebrauch nahmen. Der Humanismus leistet etwas im Gegensatz zum krassen Materialismus und zum gottlosen Kampf um die Macht, die wir überall sehen. Er kann helfen, das Leben auf diesem Globus lebenswert zu machen. Der Humanist hat den Glauben an eine großartige Idee und ist bereit, zu arbeiten, zu leiden und Opfer zu bringen. Es gibt vieles, was den Humanismus innerhalb der natürlichen Ordnung empfehlen kann, aber - und das ist der springende Punkt - in seiner Erscheinungsweise gibt es so manches, was man mit äußeren Formen des Christentums verwechseln kann. Dann wird er eine wirkliche Gefahr für die Kirche.
Wir sollten deshalb die Sache noch etwas näher betrachten. Es gibt drei Hauptpunkte, die in allen humanistischen Lehren gleich sind: die Heiligkeit des Menschen, die Güte des Menschen, die Freiheit des Menschen. Wir werden jedes für sich kurz betrachten.
Schon in den Tagen der Stoiker kann man den Satz finden: Der Mensch ist dem Menschen heilig. Die Griechen ließen das für die Elite gelten. Der Humanist jener Tage konnte Sklavenbesitzer sein und war es auch meistens. In unseren Tagen wird die Heiligkeit des Menschen umfassender verstanden. Wenn die Persönlichkeit ganz universal als heilig angesehen wird, dann ist das Kriterium nicht mehr Äußerlichkeit, sondern etwas von unvergänglichem Wert, das den Menschen nötigt, sein Gebot anzunehmen und ihm zu gehorchen. So besteht kein Zweifel, daß in der Medizin das Schlagwort "Das Leben ist heilig" von allen akzeptiert war - jedenfalls bis in unsere Generation hinein. Der Arzt war immer auf der Seite des Lebens, ganz gleichgültig, wie arm, nutzlos oder zerstört es erschien. Mit anderen Worten, für den Humanisten bedeutet die Tatsache, daß das Leben heilig ist, immer, daß er etwas dafür tun muß.
Der nächste Punkt ist die Güte des Menschen. Der Humanismus möchte keine gesetzesartige Ordnung entwerfen. Er sucht etwas Tieferes, Dauerhafteres. Das Gewissen des Menschen ist an ein hohes Ideal gebunden, und er ist verpflichtet, seine Handlungen mit seinem Gewissen in Übereinstimmung zu bringen. Der Humanismus diktiert das Ideal nicht, denn er postuliert eine Fähigkeit im Menschen, die den Menschen das Ideal spontan zeigt. Kurzum, der Humanismus lehrt, daß der Mensch dem Guten verpflichtet ist und intuitiv weiß, was gut ist.
Drittens gibt es dort die Lehre von der Freiheit des Menschen. Dies soll nicht als Libertinismus oder Willkür verstanden werden, auch nicht als "leben und leben lassen". Der Humanismus lehrt, daß der Mensch verantwortlich ist. Dazu muß er natürlich frei sein, die Verantwortlichkeit auch zu tragen. Der Humanismus kämpft deswegen gegen jede Art von Bindung: physische, politische, ökonomische und soziale.
Wer kann bestreiten, daß auf beinahe jedem Missionsfeld eine große Mischung von Christentum und Humanismus erfolgt? Der Grund ist wohl auch, daß die wirkliche Lehre des Christentums in unseren westlichen Kirchen in einem erstaunlichen Grad durch die Lehre der Humanisten verwaschen und verdrängt wird. Obwohl wir behaupten, daß wir Kinder der Reformation sind, sind wir nur zu oft Nachfolger von Erasmus, dem Humanisten zur Zeit der Reformation. Die fundamentale und vitale Unterscheidung zwischen Humanismus und Christentum ist diese: Der Humanismus behandelt grundsätzlich die Beziehung vom Menschen zum Menschen; Christentum handelt grundsätzlich von der Beziehung des Menschen zu Gott. An manchen Punkten wird der Unterschied deutlich. Der Humanismus arbeitet auf der Basis der Erwartung, etwas zu erreichen; das Christentum arbeitet auf die Hoffnung hin. Der Humanist, der seiner eigenen Lehre folgt, muß glauben, daß er etwas erreicht, was wirklich wichtig ist. Er bewirkt die Hebung und Besserung der Menschheit, und es gibt nichts anderes, auf das man noch warten kann. Wenn man diesen Gedanken christlich verkleidet,'dann heißt das: Die Kirche verursacht langsam, aber sicher die Hebung und Besserung der Menschen, und daraus ergibt sich dann letztlich das Reich Gottes auf Erden. Die Gemeinschaft der Heiligen im Neuen Testament arbeitete auf einer anderen Grundlage. Die guten Werke dieser Gemeinschaft hatten nicht den Charakter des Absoluten, des Endgültigen, der einzigen möglichen Lösung. Und man hat sie niemals als Mittel angesehen, um die endgültige Hoffnung zu verwirklichen. Sie tat diese Werke, weil sie eine Erwartung des Endgültigen, Absoluten, von Gott hatte. Sie tat ihre Werke, weil sie genötigt war, den Leuten in ihrer Not zu helfen, hier und jetzt. Die Gemeinschaft im Neuen Testament unterschied deutlich zwischen sich selbst und der Welt. Als Gemeinschaft hatte sie Kontakt mit der Welt nur dort, wo Verkündigung stattfand. Entweder kam es zur Verfolgung, oder Sucher mußten unterrichtet werden. Das wirklich Absolute und Endgültige erwartete die Kirche in der Erfüllung. Deshalb konnte sie als Gemeinschaft für diese Welt nur eines tun, was Bedeutung hatte, nämlich den Völkern von dieser Hoffnung der Erlösung zu sagen.
Unter Humanisten ist die Entwicklung von Führungspersönlichkeiten wichtig. Die Elite, die Intelligenz, die, die wirklich etwas verstehen, das sind die erwählten Führer und Leiter zum Organisieren der Gesellschaft und um andern zu helfen bei dem Versuch, die Hebung und Besserung der Menschen zu erreichen. Im Neuen Testament gibt es eine Führung der Gemeinschaft in diesem Sinne nicht.
Wenn der Humanismus eine Sekte oder eine Religion wäre mit mehr oder weniger klaren Formen, dann wäre es viel leichter, sich mit ihm auseinanderzusetzen.
Wir wollen einen Schlußstrich ziehen. Sie leben in Pakistan. Innerhalb der natürlichen Ordnung sollten Sie als Christ zusammenarbeiten mit Muslimen, Hindus, Christen, um Pakistan zu einem Land zu machen, in dem man besser leben kann als bisher. Aber als ein Christ sind Sie auch Glied des Leibes Christi, der Kirche. Kollektiv, als Gruppe, hat die Kirche Kontakt mit Pakistan durch die Verkündigung. Sie muß dabei auch sagen, daß alle Bemühungen, Pakistan zu einem Land zu machen, in dem es sich besser leben läßt, menschlich, fehlbar und begrenzt sind. Gleichzeitig wird die Kirche als Gruppe miteinander Gottesdienst halten; sie wird dafür sorgen, daß Unterweisung stattfindet, und sie wird durch sozialen Dienst für ihre eigene Gruppe sorgen. Das ist die gemeinsame Verantwortung der Kirche.