Glaube an Allah oder Glaube an den Vater unseres Herrn Jesus?
Die letzten vier Abschnitte dieser Reihe behandeln Vergleiche. Dabei soll nicht gezeigt werden, daß einer besser ist als der andere. Durch den Vergleich möchte ich Kontrast und Unvereinbarkeit deutlich werden lassen. Ich habe sowohl Muslime wie Christen, sowohl einheimische wie ausländische, sagen hören: Es gibt im Islam wie im Christentum nur einen Gott, und deshalb glauben beide an denselben Gott.
Dann wird betont, daß die Muslime und die Christen die Fragen des Glaubens zwar verschieden angehen, aber zu mehr oder minder gleichen Schlußfolgerungen kommen. Z. B. stimmen beide darin überein, es sei ein asiatischer Irrweg, die letzte Wahrheit durch Einkehr in die Tiefe des eigenen Geistes finden zu wollen. Denn die letzte Wahrheit kommt von außen. Der Muslim weiß dies aus seinem Koran, der Christ aus seinem Injil; doch die Schlußfolgerung ist gleich, beide glauben an die Tatsache der Offenbarung. Weiter glauben beide, daß Gott die Sünde vergibt. Die Voraussetzung dabei ist, daß beide einen Begriff von Recht und Unrecht, ein Wissen um Schuld und Sünde haben, so daß beide ein Bedürfnis nach Vergebung spüren. Außerdem sagt man, beide glauben, Gott sei ein gerechter Richter, der in seinem Urteil am Jüngsten Tag peinlich gerecht vorgehen werde.
Um den Ballon zum Platzen zu bringen, muß man nur darauf bestehen, daß die Worte klar definiert werden. Ein Beispiel: Der orthodoxe Muslim sagt, der Koran und die Überlieferungen lehrten ihn, der Mensch sei geschaffen, um frei zu sein. Er mag fortfahren, das Injil lehre doch die Christen das gleiche. An diesem Punkt sollte man ihn auf eine Definition dessen,was er sagen will, festnageln. Er wird dann sagen, jeder Mensch sollte frei sein, ein Muslim zu sein oder zu werden. Die Idee, daß ein Muslim frei sein sollte, sich vom Islam abzuwenden, würde ihm genauso unmöglich vorkommen wie uns die Behauptung, der Mensch solle frei sein, damit er einen Mord begehen könne. Wenn man im Westen Freiheit definiert, meint man, der Mensch sei frei zu jeder beliebigen Wahl, sofern es nicht die Rechte und Freiheit anderer beeinträchtigt. Die Worte sind gleich, aber mindestens die Auswirkungen für die Religion sind einander diametral entgegengesetzt. Wir kehren zum Ausgangspunkt zurück: Glaube an Allah .... Glaube an den Vater unseres Herrn Jesu Christi. Man kann leicht sagen, Christen und Muslime glauben an einen Gott - und deshalb auch an denselben Gott. Aber schon die kurze Definition, die in der Überschrift des Kapitels steht, macht den Unterschied deutlich. Wenn der eine Gott als der Vater unseres Herrn verstanden wird, kann er nicht Gott, verstanden als Allah Mohammeds, sein. Unser Herr hat gesagt: Wer mich sieht, der sieht den Vater" (Joh 14,9).
»Niemand kennt den Sohn als nur der Vater, und niemand kennt den Vater als nur der Sohn und wem der Sohn es offenbaren wird.« (Mt 11,27) Das heißt: im christlichen Glauben kennt man Gott als Gott nur, sofern man ihn durch den Sohn kennt, eben als den Vater des Sohnes. Kein Muslim und kein Jude kann die Worte: "Vater unseres Herrn Jesus Christus" akzeptieren. Ebenso kann kein Christ den Glauben an Allah, wie im Koran niedergelegt, akzeptieren und bekennen.
Ein echter Vergleich ist ausgeschlossen; bleibt nur der Kontrast. Weder der Christ noch der Muslim kann die Möglichkeit zweier Götter akzeptieren. zugespitzt gesagt: Entweder ist Mohammeds Allah oder aber der Vater unseres Herrn Jesus Christus nur eine Vorstellung, aber keine Wirklichkeit. Trotz gleicher Ausdrücke sind die Schlußfolgerungen so gründlich verschieden, daß eine Gemeinschaft in der Anbetung Gottes oder eine beide Seiten umfassende Bruderschaft des Glaubens nicht in Frage kommen kann. Was mag der Zweck sein, wenn die Parteien die Definition ich hinter einem Schleier identischer Ausdrücke verstecken? Das einzige Ziel der Kirche ist die Verkündigung des Evangeliums auch vor den Muslimen, so daß der Heilige Geist an ihnen wirken kann und die Menschen überall wissen, was Sünde ist, und an Christus glauben, um erlöst zu werden. Wenn jemand in aller Rechtschaffenheit dieses Ziel im Auge hat, sobald er sich mit Muslimen näher einläßt, was bewirkt dann die Betonung der Ähnlichkeiten der Worte, wenn die Konsequenzen nicht übereinstimmen? Man betont dann das Geringere auf Kosten des Wichtigeren. Man betont, was nicht zur Erkenntnis der Sünde führt oder zu einem Wechsel des Glaubens. Soviel ich erkennen kann, werden so die Dinge nur noch schwieriger, auch für den Muslim, der die Verkündigung hört.
Die Frage der Definition ist noch nicht so wichtig wie die Grundhaltung der Leute, in der sie über Gott sprechen. Eine solche Grundhaltung ist die Wissenschaftlichkeit. Sie ist eine geistige Einstellung, die für Forscher, Gelehrte und Pholosophen charakteristisch sein soll. Der wissenschaftlich Tätige und Beobachter soll objektiv sein, d. h. ohne persönliches Interesse beobachten, experimentieren, vergleichen. Er muß einen überlegenen Standpunkt haben. Die wissenschaftliche Untersuchung eines Mordfalls etwa wäre gehindert, wenn der Ermordete der Sohn des Forschers wäre. Im Kontext der Kirche ist niemand bloßer Zuschauer, Niemand vermag Gott oder die Wahrheit von einem überlegenen Punkt aus zu erblicken und dabei ohne Beteiligung bleiben. Ein Gott, der von einem solchem Punkt der Überlegenheit aus zu sehen wäre, wäre ein Götze.
Wenn nun jemand meint, der Gott des Islam und der Gott des Christentums seien derselbe Gott, da es ja nur einen Gott gebe und geben könne, dann ist er ein Zuschauer. Er nimmt einen überlegenen Standort ein, von dem aus er beobachten, sondieren, forschen und schlußfolgern kann. Aber es liegt in der Natur der Dinge, daß Gott nur dann Gott ist, wenn die betreffende Person von ihm erfaßt wird. Der Mensch kann Gott nur dann erkennen, wenn Gott mit seinem Finger auf ihn zeigt und sagt: "Du bist dieser Mensch!" Es gibt keine andere echte Gotteserkenntnis. Wer durch die lebendige Gegenwart Gottes bestimmt ist, kann unmöglich von Gott wie ein Philosoph, ein akademischer Gelehrter bzw. Forscher reden, um in objektiver Distanz Möglichkeite für und wider zu erörtern. Nein, er ist Zeuge. Was er zu sagen hat, ist ein Zeugnis, also Verkündigung! Seine Haltung ist nicht die des Wissenschaftlers, sondern die des Propheten. Verkünden wir das Evangelium nach dessen innerlichem Wesensgehalt, dann muß an irgendeinem Punkt das Verständnis des Muslims aufhören.
Das braucht nicht unbedingt beim Punkt "Gott der Vater" zu sein, aber dieses Aufhören des Verständnisses tritt ein, und zwar zwangsläufig. Dieser tote Punkt ist ein Stein des Anstoßes für unzählige Christen. Sie fühlen sich tief enttäuscht angesichts der Begrenztheit ihrer Fähigkeiten. Nachdem sie die Saat gesät haben, womöglich jahrzehntelang voll Unermüdlichkeit, möchten sie endlich die Ernte reifen und in die Scheune gebracht sehen. Diesen toten Punkt versuchen Christen zu überwinden. Eine Methode dabei ist die Spiritualität. Eine andere ist die des Intellektualismus. Man kann oft hören: Ein spirituelles Leben ist ein stärkeres Argument als noch so viele Verkündigung. Gibt es eine Übereinstimmung über das Wesen der Spiritualität? In Asien drückt sich Spiritualität oft in Armut aus, in Askese und Flucht vor der Welt der Aktivität. Spiritualität in Europa aber führt oft zu Tatendrang.
Im Osten bewundert der Mann auf der Straße jeden, der Spiritualität zur Schau stellt. Das hat freilich nichts mit ewiger Wahrheit zu tun. Ein Muslim und ein Christ können in den Augen der breiten Masse gleich spirituell sein. So etwas mag im Westen sonderbar klingen, aber gerade das ist die rechte Sicht menschlicher Spiritualität. Dies Phänomen beweist, daß der Hindu oder Muslim oder Christ seine Spiritualität ernst nimmt. Aber das beweist nichts über seine Religion. Die eine Seite der Münze zeigt die menschliche Spiritualität. Was zeigt die andere Seite? Entspricht dieser Spiritualität eine Realität? Hindus sind oft sehr spirituell, das kann niemand leugnen; wenn jedoch die andere Seite der Münze nur ein Götterbild ist, welche Beweiskraft hat dann diese Spiritualität?
Das Neue Testament zeigt uns deutlich, daß viel Spiritualität keine Realität hinter sich hat (Mt 7,14, 22-23; 20,16; Lukas 18,14). Die andere Seite der Münze ist leer! Der Muslim wird die christliche
Spiritualität als echt gelten lassen, aber nicht auf den Gedanken kommen, daß er deshalb die Verkündigung ernst nehmen sollte. Spiritualität sagt nichts über die absolute Wahrheit. Eine Frage wird immer dringlicher: Läßt sich der tote Punkt durch akademische Methodik überwinden? Ich möchte hier nicht mißverstanden werden. Beim Bemühen, das Evangelium unter die Muslime zu bringen, ist für die Kirche nichts wichtiger als grünaliche Arbeit qualifizierter Akademiker.
Aber was heute weithin geschieht, trägt ein ganz anderes Gepräge. Als ein typisches Beispiel schauen wir Craggs Buch "The Call of the Minaret« (Der Ruf des Minaretts), oder genauer eine Besprechung dieses Buches durch einen Muslim in der "Muslim-Welt" Januar 1958 an. Professor Daud Rahbar äußerte sich recht freundlich über den nicht-polemischen Geist des Buches. Natürlich erkennen jetzt aufgeklärte Menschen im Westen den Wert aller Religionen als Einrichtungen innerhalb der menschlichen Gesellschaft an. Auch die Politik hat dazu beigetragen, daß die Christen duldsamer wurden, wie schon der Schutzumschlag von Craggs Buch zeigt; denn sie wählen Partnerschaft mit dem Muslimen gegen den Kommunismus. Der Professor sagt, Cragg habe sein Buch als Handbuch für Missionare unserer Zeit geplant, Cragg behauptet nirgendwo, nicht einmal implizit, die Überlegenheit des Christentums über den Islam. Er vermeidet auch die Billigung oder Verwerfung dieses oder jenes Aspektes des Islam. Das Buch gibt keine Methode zum Gespräch mit Muslimen, sondern einfach eine Einführung in den Islam.
Teil III ist der Ruf zur Interpretation und zeigt, wie Cragg die Pflicht eines Christen auffaßt. Professor Rahbar ist der Ansicht, Craggs Buch sollte in die für Muslime wichtigen Sprachen überwerden, damit die Muslime dem Christentum gegenüber das gleiche tun, was Christen dem Islam taten. In echt akademischem Geist müssen Muslim-Gelehrte zugeben, wie notwendig das Studium der Bibel ist als Quelle der Kenntnis von Jesus. Denn die beste Richtschnur sowohl für Christen wie Muslime ist Aufgeschlossenheit des Geistes im Hinblick auf die Einstellung, in der der andere die eigene Offenbarung auffaßt und annimmt. Gegenseitige Achtung soll sich auf dem Wege über wechselseitiges Kennenlernen entwickeln. Dies Kapitel ist ein Bemühen, die Muslime dahin zu bringen einzusehen, daß "die Weisungen des christlichen Glaubens für einen Christen nichts Falsches sind". Selbst die Lehre von der Heiligen Dreieinigkeit ist dann nichts so schlechthin Unmögliches, wie die meisten vermuten. Auch steht sie nicht in diametralem Widerspruch zu der vom Islam betonten Einheit Gottes. Denn der Koran lehrt in Wirklichkeit auch eine komplexe Einheit, wenn auch mit einer andersartigen Auffassung von Komplexität.
Professor Rahbar spricht noch ein letztes Wort über Bekehrung. "Unser Zeitalter ist bestimmt keine Zeit für Bekehrungen". Soweit dergleichen aber doch vorkommt, hauptsächlich in Afrika und Indien, ist der wahre Grund entweder der, daß der Konvertit einen besseren Lebensstandard durch den Übertritt zu erlangen hofft, oder die Bekehrung geht auf den mächtigen Einfluß einer liebevollen und dynamischen Persönlichkeit zurück. Die Wahrheit der Lehren einer Religion wird am Maßstab wohltätiger Praxis und ihrer Erfolge gemessen. Das ist eine knappe Zusammenfassung wichtiger Teile von Professor Rahbars Ausführungen.
Ebenso wie Craggs Buch ist auch Rahbars Kommentar sehr objektiv und unpersönlich, also echt wissenschaftlich. Die Lehre von der Erlösung und die Lehre von Auferstehung, vom Ewigen Leben und dem Letzten Gericht werden nicht einmal indirekt erwähnt. Es heißt lediglich: "Die Erfolge großer Religionen waren nicht die Launen der Natur. Ihre Stifter waren die Stimmen ihrer Epochen. Die ganze Debatte ist so flach wie der Horizont. Es kommt kein Anzeichen für eine senkrechte Linie, für das Wirken Gottes vor. Auch in Craggs Buch scheint niemand einen Hinweis auf die Vertikale der Offenbarung gefunden zu haben. Kürzlich traf ich den Leiter einer Kulturabteilung an einem Islam-College. Er behauptete, bereit zu sein, einem Menschen, gleich welcher Religion, die Bruderhand zu reichen, falls er mit der Gruppe an kulturellen Aufgaben zusammenwirken wolle. "Natürlich", fügte er lächelnd hinzu, "weiß ich, daß da ein gewaltiger Unterschied zwischen euch Christen und uns Muslimen existiert. Ihr seid exklusiv: Ihr glaubt, es gebe nur einen Weg zu Gott; wir Muslime dagegen wissen, daß alle Religionen zu Gott führen, wenn sie aufrichtig praktiziert werden. Unterschiede in der Lehre sind von geringerer Bedeutung."
Ist damit der tote Punkt überwunden? Hat der Muslim Gott als den Vater unseres Herrn Jesus Christus erkannt? Oder hat der Christ den Allah Mohammeds übernommen? Nein, ganz im Gegenteil! Der tote Punkt wird ignoriert. Aber so gewiß Gott Gott bleibt, auch wo er sich offenbart, so gewiß ist dieser tote Punkt unvermeidlich. Wir sind verpflichtet, das Evangelium überall zu predigen, also auch unter Muslimen. Uns ist aber nicht gesagt worden, daß unsere Worte die Macht hätten zu bewirken, was sie sagen. Das bleibt Sache des Heiligen Geistes. Nur er kann den toten Punkt überwinden. Alle unsere Versuche aus dem Bereich, in dem wir etwas machen können, können diese Grundtatsache verschleiern oder behindern. Wir müssen fortfahren, Gott, den Vater unseres Herrn Jesus Christus, zu verkündigen - im Kontrast zu Mohammeds Allah - und das Ergebnis den Händen Gottes anheim stellen.